Präsentation Zelt

Nahtlos und wasserdicht

Die traditionelle Schwachstelle von Zelten sind die Außennähte, über die Wasser ins Innere gelangen kann. Eine neue Fügetechnik des Outdoor-Ausrüsters VAUDE, die auf einem Festsilicon von WACKER beruht, kommt ganz ohne Nadel und Faden aus. Auch bei starkem Regen bleibt das Zelt dicht.

01.10.2018 Lesezeit: ca. MinutenMinute

Nahtlos und Wasserdicht

Für alle, die draußen übernachten, ist ein wasserdichtes Zelt der wichtigste Ausrüstungsgegenstand – egal, ob eine Trekkingtour, ein Fahrradausflug oder ein Campingurlaub mit Kindern geplant ist. Schon bei der kleinsten undichten Stelle kann es schnell ungemütlich werden. Schwachpunkt sind dabei nicht die Textilbahnen, sondern die Nähte des Zeltes.

Gängige Praxis ist, die zugeschnittenen Textilbahnen mit Nadel und Faden zusammenzunähen. Die Einstiche aber perforieren die Textilien, sodass Wasser über die Doppelkappnähte in den Innenraum dringen kann. Deshalb werden die Nähte abgedichtet. Meist bringt der Hersteller dazu auf der Innenseite des Zeltes Abdichtungsbänder auf die Nähte auf.

Bei besonders hochwertigen Zelten aus siliconbeschichtetem Polyamidgewebe ist dies allerdings nicht ohne Weiteres möglich. Hier ist die Nahtabdichtung mit hohem Aufwand für den Hersteller verbunden.

Die VAUDE Sport GmbH & Co. KG, ein renommierter Outdoor-Ausrüster mit Firmensitz in Tettnang, hat jüngst ein Trekkingzeltmodell aus siliconbeschichtetem Polyamid auf den Markt gebracht, das mittels einer Klebetechnik ohne Doppelkappnähte gefügt ist.

Die Zeltbahnen aus siliconbeschichtetem Polyamid werden mittels eines Siliconklebebandes verbunden. Auf die anfällige Steppnaht kann VAUDE bei dieser Technik verzichten.

Abbildung Plane

Es kommt daher auch ohne Nahtabdichtung aus. Die verwendeten siliconbeschichteten Textilbahnen werden mithilfe eines Siliconklebebandes verbunden. Der Verbund ist absolut wasserdicht, außerordentlich reißfest und kann zudem repariert werden.

Das Klebeband stellt die VVB-Birzer Flächenschutz GmbH her, ein im bayerischen Pfaffenhofen angesiedelter Siliconverarbeiter. Ausgangsmaterial des Klebebandes ist ein Festsiliconkautschuk der Type ELASTOSIL® R plus 4001/40 von WACKER.

Ein Campingzelt besteht aus Außenzelt, Innenzelt und einer tragenden Gestängekonstruktion. „Mit solch einem zweiwandigen Aufbau lässt sich ein höherer klimatischer Komfort als in einem einwandigen Zelt erreichen“, sagt René Bethmann. Der Textilingenieur arbeitet bei VAUDE als Innovationsmanager für Materialien und Fertigungstechnik.

Längere Lebensdauer

Wie die meisten Zelthersteller greift auch der oberschwäbische Outdoor-Ausrüster für hochwertige Zelte in der Regel auf Polyamidgewebe zurück, das beidseitig siliconbeschichtet ist. Grund ist die hohe mechanische Festigkeit dieses Materials, wie der VAUDE-Experte erläutert: „Polyamidgewebe sind reißfest, die Siliconbeschichtung erhöht zusätzlich noch die Weiterreißfestigkeit. Zudem erhöht die Siliconbeschichtung die UV-Stabilität – und verlängert dadurch die Lebensdauer des Polyamidgewebes.“

„Polyamidgewebe sind reißfest, die Siliconbeschichtung verbessert zusätzlich die Weiterreißfestigkeit. Zudem erhöht die Siliconbeschichtung die UV-Stabilität – und verlängert dadurch die Lebensdauer des Polyamidgewebes.“

René Bethmann, Innovationsmanager für Materialien und Fertigungstechnik, VAUDE Sport GmbH & Co. KG

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Verarbeitet der Zelthersteller siliconbeschichtetes Polyamidgewebe, kann er daher dünne Textilbahnen einsetzen und besonders leichte Zelte konstruieren. Wichtig ist das vor allem für Trekkingzelte, bei denen es ja auf ein niedriges Gewicht ankommt. Schwierig gestaltet sich allerdings die Nahtabdichtung. Denn anders als bei den preiswerteren polyurethanbeschichteten Geweben, bei denen konventionelle Polyurethan-Nahtabdichtungsbänder aufgebracht werden können, muss der Zelthersteller hier mit einem flüssigen Siliconkautschuk arbeiten. Es gibt kein Abdichtungsband, das auf einer Silicon-Oberfläche haftet.

Das Aufbringen eines flüssigen Silicons ist jedoch sehr aufwändig und beinhaltet nach wie vor die klassischen Näharbeiten, bei denen das Textil penetriert wird; zudem weist die Reißfestigkeit an den Nähten gewisse Grenzen auf. Daher suchte VAUDE nach Wegen, das zusätzliche Abdichten der Nähte zu umgehen. Der Outdoor-Ausrüster wandte sich an WACKER. Die Anwendungstechnik des Chemieunternehmens wiederum stellte den Kontakt zu VVB Birzer her.

Zelt in Natur

Verzicht auf Nahtabdichtung

Gespräche mit Christian Birzer von dem gleichnamigen Familienunternehmen brachten die Produktentwickler von VAUDE auf die Idee, die siliconbeschichteten Textillagen mithilfe eines geeigneten Siliconklebebandes zusammenzufügen, anstatt sie zu vernähen. Sollte es nämlich gelingen, eine reißfeste und vollständig wasserdichte Klebung zu erzeugen, würde sich damit zugleich auch die Nahtabdichtung erübrigen.

Die drei Unternehmen starteten ein gemeinsames Entwicklungsprojekt. VVB-Birzer passten ihr Siliconklebeband auf die Bedürfnisse von VAUDE an, um speziell das Verbinden von siliconbeschichteten Polyamid-Stoffzuschnitten zu ermöglichen, WACKER wählte das für die Klebeschicht optimal geeignete Siliconprodukt aus, VAUDE prüfte die Anwendungstauglichkeit des Bandes und erarbeitete ein Fügeverfahren. Dieses nennt der Outdoor-Ausrüster Siliconized Bonding.

Seitens der WACKER-Anwendungstechnik war Dr. Christian Anger mit dem Entwicklungsprojekt befasst. In seinen Untersuchungen erwies sich aufgrund seiner hervorragenden mechanischen Eigenschaften der einkomponentige Festsiliconkautschuk ELASTOSIL® R plus 4001/50 als Material der Wahl für die geplante Anwendung.

„Als additionsvernetzendes Festsilicon bindet dieses Produkt chemisch an eine Silicon-Oberfläche – und haftet nach der Aushärtung sehr gut; es eignet sich daher hervorragend zum Fügen von siliconisierten Textilgeweben“, berichtet der Chemiker.

Herkömmliche Steppnaht:

Darstellung der Technik

Bei dieser traditionellen Technik werden beide Materialschichten an der Nahtstelle perforiert, zum Nachteil der Wasserdichtigkeit und Stabilität. Die entstandenen Nähte müssen von innen abgedichtet werden.

„Versucht man, die verbundenen Textilien auseinanderzureißen, reißen eher die Gewebe, als dass die Fügestelle versagt.“

Dieses Produkt vernetzt bei hohen Temperaturen und unter Druck sehr schnell zu einem Siliconelastomer (siehe Kasten). Anders als bei vielen Siliconelastomeren, die aus einem peroxidisch vernetzenden Festsilicon erzeugt werden, muss das Elastomer nicht mehrere Stunden lang bei 200 Grad Celsius hitzebehandelt (getempert) werden, um ein geruchsneutrales unbedenkliches Endprodukt mit sehr guten mechanischen Eigenschaften zu erhalten. Auch das war ein Auswahlkriterium, wie Dr. Anger sagt. Denn: „Ein Polyamidgewebe würde das Tempern – so bezeichnen Fachleute die mehrstündige Hitzebehandlung – nicht schadlos überstehen.

Im Rahmen des Entwicklungsprojekts bestand der Part von VVB-Birzer darin, den unvernetzten Festsiliconkautschuk, der von WACKER in Form von quaderförmigen Blöcken angeliefert wird, in ein Band umzuformen.

Dies sollte sich möglichst einfach applizieren lassen und nach der Applikation eine zugscherfeste Verbindung ergeben.

Das Unternehmen liefert das Klebeband als Rollenware aus. Die Siliconklebeschicht befindet sich dabei als Endlosband auf einer ebenfalls bandförmigen Kunststoff-Trägerfolie. Das aus den beiden Lagen – Klebeschicht und Folie – bestehende Klebeband wird zu etwa 20 Zentimeter großen Rollen aufgewickelt. Die Folie verhindert dabei, dass die Siliconlagen verkleben, und ermöglicht den Transfer auf das Textil; sie wird im Verlauf der Applikation abgezogen und verworfen.

Siliconized Bonding:

Darstellung der Technik

Das Klebeband aus additionsvernetzendem Festsilicon bindet durch Vulkanisation chemisch an den Untergrund (siliconbeschichtetes Polyamid) an. Die Verbindung ist doppelt so reißfest wie eine herkömmliche Naht.

Für das Zuschneiden und Fügen der Stoffteile und damit auch für die Applikation des Siliconklebebandes ist der vom Zelthersteller beauftragte Konfektionär zuständig. „Bis vor Kurzem war es nur möglich, die siliconbeschichteten Polyamid-Stoffteile mithilfe des Siliconklebebandes vollständig in Handarbeit zu verkleben. Jetzt haben wir einen teilautomatisierten Fügeprozess aufgebaut“, sagt VAUDE Innovationsmanager Bethmann.

Plane

Der Fügeprozess verläuft in zwei getrennten Schritten, ist also diskontinuierlich: Im ersten Schritt wird das Siliconband abschnittsweise entlang der Schnittkante auf die untere Textillage aufgebracht – dort, wo die beiden Stoffteile verklebt werden sollen. Dann wird die Trägerfolie Stück für Stück abgezogen und zugleich das zweite Stoffteil aufgelegt und angedrückt. Dies geschieht ebenfalls fortschreitend in Richtung der Linie, entlang derer die beiden Textillagen verbunden werden sollen. Auf diese Weise fügt der Konfektionär sämtliche Stoffteile zum Außenzelt zusammen. Der so geschaffene Verbund ist allerdings noch roh und keineswegs zum Zeltaufbau geeignet – das Silicon des Klebebandes ist noch nicht vulkanisiert.

Die Reißfestigkeit von Polyamidgeweben wird durch die Siliconbeschichtung noch zusätzlich erhöht.

„Als additionsvernetzendes Festsilicon bindet dieses Produkt chemisch an eine Silicon-Oberfläche – und haftet nach der Aushärtung sehr gut; es eignet sich daher hervorragend zum Fügen von siliconisierten Textilgeweben.“

Dr. Christian Anger, Leiter Technisches Marketing Rubber Solutions, WACKER SILICONES

Siloconelastomere

Siliconelastomere sind gummielastische Feststoffe, die auf Polyorganosiloxanen basieren. Sie entstehen aus Siliconkautschuken durch einen als Vulkanisation bezeichneten Prozess. Hierbei bilden die Polymerketten der siliciumorganischen Makromoleküle ein dreidimensionales Netzwerk. Siliconelastomere zeichnen sich durch ein Eigenschaftsprofil aus, das sie in vielen technischen Anwendungen unentbehrlich macht: Sie sind außerordentlich hitzebeständig, zugleich auch kälteflexibel, chemisch inert und biokompatibel.

Siliconelastomere besitzen eine stark hydrophobe, also wasserabweisende Oberfläche, von der Wassertropfen abperlen. Auch nehmen Siliconelastomere kein Wasser auf und wirken sehr gut elektrisch isolierend. Typisch ist ihre hohe Beständigkeit gegen eine Vielzahl physikalischer und chemischer Einflüsse, weshalb sie – anders als organische Gummis – nur wenig altern. So bleiben ihre chemischen, physikalischen und technischen Eigenschaften zwischen etwa –45 und +200 Grad Celsius nahezu konstant; ebenso verkraften sie anhaltende mechanische Belastungen sowie die fortwährende Einwirkung von Sauerstoff, Ozon und UV-Strahlung.

Siliconelastomere absorbieren kurzwellige und damit besonders energiereiche UV-Strahlung. Als Beschichtung eingesetzt, können sie daher UV-empfindliche Substrate schützen – etwa Textilien, die in der Anwendung immer wieder der prallen Sonne ausgesetzt sind.

Aushärtung in der Heisspresse

Die Stoffteile halten aber durch das Andrücken fest genug zusammen, um den rohen Verbund in eine Textil-Heißpresse überführen zu können. Dort findet der zweite Prozessschritt statt, die Thermofixierung. Durch Vulkanisation verbindet sich das Siliconband praktisch unlösbar mit den Silicon-Oberflächen der Textilien. Erst nach diesem Prozessschritt erhält der Klebeverbund seine Endeigenschaften.

Im Prüflabor, im Windkanal und im Freiland durchgeführte Tests bestätigen: Der Klebeverbund ist sehr haltbar; ein durch Siliconized Bonding hergestelltes Außenzelt ist robust und erreicht eine hohe Lebensdauer. Hier kommen neben der festen Haftung auch die typischen Siliconeigenschaften zum Tragen. Die Klebetechnik verbindet die Stofflagen absolut wasserdicht, sodass über die Klebefugen dauerhaft kein Regenwasser ins Zelt gelangen kann – ein Abdichten der Verklebungen ist unnötig. Die Klebung ist doppelt so reißfest wie eine herkömmliche Doppelkappnaht. Auch eine Reparatur gestaltet sich vergleichsweise einfach: Sollte sich eine Verbindung wider Erwarten im Laufe der Jahre doch einmal öffnen, kann der Zelthersteller die betreffenden Stoffteile neu verkleben.

Mit dem Siliconized Bonding betritt VAUDE Neuland in der Outdoor-Ausrüstungsbranche. „Alle früheren Versuche, siliconisierte Textilien zu verkleben, waren fehlgeschlagen“, berichtet der Innovationsmanager. „Wir sind daher mit recht geringen Erwartungen an das Entwicklungsprojekt herangegangen – und positiv überrascht worden“, sagt Innovationsmanager René Bethmann. Möglich wurde dies durch eine gute Zusammenarbeit der drei beteiligten Unternehmen, wie der Textilfachmann betont: „Bei allen Fragen und Problemen rund um das Fügen mit Siliconklebebändern konnte uns VVB-Birzer zielführende Antworten geben oder Lösungswege aufzeigen. Und auch die WACKER-Anwendungstechnik stand uns mit ihrem Fachwissen stets zur Seite.“

Mann mit Plane

„Positiv überrascht worden“: VAUDE-Innovationsmanager René Bethmann mit dem von ihm mitentwickelten Zelt mit Silicon-Klebenaht.

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Herr Dr. Christian Anger
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Rubber Solutions, WACKER SILICONES
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