2,63 g/cm3 beträgt die Korndichte des Quarzsands, den die WACKER-Chemiker als Referenzprobe für ihre Untersuchungen verwendeten.

Auf Sand gebaut

Sand ist für viele Baustoffe unverzichtbar, aber gleichzeitig eine endliche Ressource. Weltweit suchen Hersteller daher nach Alternativen. In der richtigen Körnigkeit gemahlen, kann recycelter Beton einen Großteil des Quarzsands in Fliesenklebern ersetzen – und das, wie Untersuchungen von WACKER-Chemikern zeigen, ganz ohne Qualitätseinbußen.

21,6 Prozent der in Italien verbrauchten Materialien beruhen auf wiederverwerteten Rohstoffen.

Trotz all der grünen Tonnen und gelben Säcke, die vor deutschen Eigenheimen stehen – der wahre Recyclingmeister in der Europäischen Union ist Italien. Exakt 21,6 Prozent der in dem Mittelmeerland verbrauchten Materialien beruhen auf wiederverwerteten und aufbereiteten Sekundärrohstoffen, vergleichen mit 12,8 Prozent in der EU und 13,4 in Deutschland.

Um die Wiederverwertung von Abfällen aus Industrie und Haushalt weiter zu fördern, plant die italienische Regierung verschiedene Maßnahmen, so einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Recylingmaterial. Dieser Steuernachlass soll durch eine Erhöhung der Abgabe auf Deponien oder Verbrennungsanlagen ausgeglichen werden. Und Bauunternehmen, die sich in Italien bei Ausschreibungen um öffentliche Aufträge bewerben, sind aktuell verpflichtet, 15 Prozent Rezyklat in ihren Baustoffen zu verwenden.

„Derartige politische Lenkungsmaßnahmen führen dazu, dass die Baustoffhersteller derzeit verstärkt nach recycelten Alternativen zu den von ihnen verwendeten Rohstoffen suchen“, erklärt Carlo Jahr, der bei WACKER POLYMERS das Business Team Building & Infrastruktur in der Region Osteuropa und Naher Osten verantwortet. „In besonderem Maße gerät dabei Sand in den Fokus der Hersteller.“

Der Beton wird gebrochen und anschließend nach seiner Körnigkeit sortiert.

50 Millarden Tonnen pro Jahr

Der Grund dafür liegt in den verbrauchten Mengen: Jährlich verarbeitet die Menschheit rund 50 Milliarden Tonnen davon. Sand steckt in zementbasierten Systemen wie Beton, Mörteln oder Fliesenklebern, aber auch in Ziegelsteinen, Gläsern, im Unterbau von Straßen oder Dämmen zum Hochwasserschutz.

„Sand ist die größte gehandelte Feststoff-Ressource der Welt“, sagt Jahr. „Aber zugleich ist Sand eine endliche Ressource. Daher ist es sinnvoll, Abbruchmaterial aus der Bauindustrie wiederzuverwerten und es als Alternative zu Sand einzusetzen.“

Dass auch dieser Rohstoff nicht wie sprichwörtlicher „Sand am Meer“ verfügbar ist, verblüfft mit Blick auf die gewaltigen Sandwüsten wie die Sahara zunächst. Dubai etwa musste eigens Sand aus Australien importieren, um den welthöchsten Wolkenkratzer, den Burj Khalifa, zu bauen – der Wüstensand vor der Haustür eignete sich nicht dafür. Die Körner von Wüstensand sind, nachdem sie über viele Jahrmillionen abgeschliffen wurden, in der Regel zu fein, zu glatt, zu rund, um im abgebundenen Beton zuverlässig zusammenzuhalten.

Gravierende Folgen

Daher fordert auch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP, dass die Gewinnung und Verwendung von Sand überdacht wird, weil sie in Flüssen, Küsten- oder Meeresökosystemen gravierende Folgen habe kann – darunter Erosion, Versalzung des Grundwassers, Verlust des Schutzes vor Sturmfluten und der biologischen Vielfalt.

Angesichts der gewaltigen Mengen Sand, die sie verarbeitet, ist vor allem die Bauindustrie einerseits diesen Rohstoff angewiesen. Andererseits produziert sie enorme Mengen Bauabfälle. Diese werden beispielsweise in Deutschland laut Angaben des Umweltbundesamtes zwar zu über 90 Prozent wiederverwertet. Doch sind in diesem Wert niederwertige Verwendungen eingerechnet – etwa als Füllmaterial
im Landschaftsbau, im Unterbau von Straßen oder im Deponiebau.

„Für eine Kreislaufwirtschaft wäre es dagegen wünschenswert, beispielsweise Beton aus Bauschutt in Anwendungen wiederzuverwerten, in denen die Wertschöpfung hoch bleibt“, erklärt Linn Mehnert vom Sustainability-Team von WACKER POLYMERS. „Eine Möglichkeit dazu bietet der Einsatz von recyceltem Beton in Trockenmörteln, speziell in Fliesenklebern.“

Mehr Flexibilität

Fliesenkleber gehören zu den Trockenmörteln und bestehen aus mindestens drei Komponenten: Bindemittel, Additive und Zuschlagsstoffe. Als Bindemittel dienen neben Zement Vinylacetat-Ethylen-(VAE)-Copolymere, wie WACKER POLYMERS sie herstellt. „Diese VAE-Copolymere verbessern die Verklebung der Fliesen mit dem Untergrund und verleihen dem Fliesenkleber eine größere Flexibilität“, erklärt Dr. Klas Sorger, der bei WACKER POLYMERS ein anwendungstechnisches Labor für Bau- und Infrastrukturanwendungen leitet.

Der wichtigste Zuschlagstoff in Fliesenklebern ist Quarzsand. Dessen Anteil am gesamten Produkt beträgt typischerweise 50 bis 60 Gewichtsprozent. „Dieser Sand kann bis zur Hälfte durch feinkörnigen recycelten Beton ersetzt werden kann, ohne dass sich dadurch die Eigenschaften der Fliesenkleber verschlechtern – im Gegenteil“, betont Klas Sorger, der die Thematik detailliert in seinem Labor untersucht hat.

„Bis zur Hälfte des Sands kann durch recycelten Beton ersetzt werden, ohne dass die Qualität des Fliesenklebers leidet.“

Dr. Klas Sorger, Anwendungstechnik, WACKER POLYMERS

Feinkörnige Fraktionen

Verwendet wurden in diesen Laborversuchen feinkörnige Fraktionen des recycelten Betons mit Teilchengrößen bis zu 1,25 mm. Die Herstellung dieser Fraktionen erfolgte nach zwei verschiedenen Methoden: Zum einen wurden sie im WACKER-Werk Burghausen aus recyceltem Beton ausgesiebt, der von der Ettengruber GmbH mit entsprechenden Maschinen zerkleinert wurde. Wirtschaftlich relevanter ist das zweite Verfahren, da hierbei der gesamte Recyclingbeton verwertet wird. Das Labor für Baustoffe und Bauchemie der Hochschule München von Prof. Andrea Kustermann schredderte den von der Firma Ettengruber gelieferten Recyclingbeton weiter, bis die nötige Feinkörnigkeit erreicht war.

Die gemahlenen Proben des Recycling-Betons wurden zur Bestimmung der kristallinen Phasen in einem Röntgendiffraktometer vermessen. Die Auswertung ergab eine Zusammensetzung aus Calcit/Quarz/Dolomit in einem Gewichtsverhältnis von rund 40 zu 20 zu 30 und einem amorphen Anteil (10). Die Feinkornfraktion des Recycling-Betons besteht somit aus Kies (Kalkstein, Dolomit/Calcit), Sand (Quarz), karbonatisierten Anteilen von Portlandit und amorphen Calciumsilikathydrat-Phasen aus abgebundenem Zement. Nennenswerte Anteile von nicht abgebundenem Zement oder Gips fand das Team des Burghauser Analytiklabors nicht.

Die Korndichte der gesiebten Proben wurde dann nach DIN 18124 im Kapillarpyknometer bestimmt. Es ergaben sich Werte zwischen 2,3 und 2,4 g/cm3. Diese gegenüber einem Referenz-Quarzsand (2,63 g/cm3) kleinere Korndichte geht einher mit einer größeren Anzahl feiner Poren mit Durchmessern zwischen zehn Nanometern und fünf Mikrometern.

Der hohe Anteil feiner Partikel und feiner Poren in den Proben des Recyclingbetons führt dazu, dass Fliesenkleber auf dieser Basis bei gleicher Konsistenz einen höheren Wasseranspruch haben als herkömmliche Fliesenkleber.

2,63 g/cm3 beträgt die Korndichte des Quarzsands, den die WACKER-Chemiker als Referenzprobe für ihre Untersuchungen verwendeten.

Ein Longfront-Bagger der Firma Ettengruber bei Abbrucharbeiten. Bislang wird Abbruchmaterial meist nur in niederwertigen Verwendungen eingesetzt.

Fester und flexibler zugleich

Als Referenz für die Untersuchungen formulierten Klas Sorger und sein Team einen Fliesenkleber, der nach der Norm EN 12004-1 als C2TE S1 klassifiziert werden kann (C = Zementkleber, 2 = hochfester Kleber, T = hohe Beständigkeit gegen vertikales Verrutschen, E = offene Zeit von mindestens 30 Minuten, S1 = verformbarer Kleber mit einer Verformung größer 2,5 und kleiner 5 mm). Als Polymer enthält er VINNAPAS® 8620 E, ein Dispersionspulver auf Basis von Vinylacetat, Ethylen und Vinylchlorid, das unter anderem die Nassfestigkeit
des Fliesenklebers verbessert und den Fliesenkleber flexibler macht.

Bei den Musterformulierungen wurden 25 beziehungsweise 50 Prozent des Sandes des Referenz-Fliesenklebers durch recycelten Beton ersetzt – mit jeweils zunehmendem Wasseranspruch von 290 und 320 Millilitern im Vergleich zu 270 Millilitern für den Referenzmörtel.
Bei den für frische Fliesenkleber bedeutsamen Eigenschaften – Standfestigkeit, Viskosität, Dichte – gab es nahezu keine Unterschiede zwischen Referenz und den anderen Proben.

Die vergleichende Prüfung der Benetzungsfähigkeit erfolgte in Anlehnung an EN 1347: Nach dem Auftragen des Fliesenklebers auf eine Betonplatte wird nach 10, 20, 30 und 40 Minuten eine Fliese aufgelegt und für eine Dauer von 30 Sekunden mit 50 Newton belastet. Anschließend wird die Kontaktfläche zwischen dem Fliesenkleber und der Fliese bestimmt. „Dabei zeigte sich, dass die Formulierungen, die auf Recyclingbeton basieren, den Referenzformulierungen sogar überlegen waren“, betont der WACKER-Chemiker Klas Sorger. „Je höher der Anteil des recycelten Betons, umso besser war die Benetzungsfähigkeit.“ Dies ist eine Folge des erhöhten Wasseranspruchs der Mischungen mit Recyclingbeton.

Parallel zur verbesserten Benetzungsfähigkeit verlängert sich die offene Zeit mit höherem Recyclingbeton-Anteil (siehe Grafik unten). Bestimmt wurde sie entsprechend der EN 12004-2, indem die Fliesen nach 5, 20 und 30 Minuten in den Klebstoff eingelegt und dann die Haftzugfestigkeit gemessen wurde. Dem Fliesenleger macht eine längere offene Zeit das Arbeiten deutlich leichter, lassen sich doch Fliesen länger in das aufgezogene Mörtelbett einlegen.

Bestimmung der offenen Zeit durch Messung der Haftzugfestigkeiten. Die Haftzugfestigkeiten nach 20 und 30 Minuten sind bei Formulierungen auf Basis von recyceltem Beton 2 (Mitte) und 3 (rechts) besser als bei der Referenz. Somit sind die offenen Zeiten länger.

„Fliesenkleber, die auf Recyclingbeton basieren, waren in
unseren Untersuchungen den konventionellen Formulierungen sogar überlegen.“

Dr. Klas Sorger, WACKER-Anwendungstechnik

Fliesen vor der Verlegung: Die offene Zeit beschreibt die Zeitspanne, in der ein Handwerker die Fliese in das aufgezogene Mörtelbett
einlegen kann. Mit einem höheren Anteil an Recycling-Beton in der Formulierung verlängert sich die offene Zeit, was dem Fliesenleger das Arbeiten erleichtert.

Vorteilhaft für die Hydration

Verbesserte Benetzungsfähigkeit und längere offene Zeit der Formulierungen auf Basis von Recyclingbeton gehen weder auf Kosten der Ausgangshaftzugfestigkeit noch der Haftzugfestigkeiten nach Lagerung im Wasser, nach Warmlagerung und nach Frost-Tau-Wechsellagerung (siehe Grafik unten). Eine plausible Erklärung dafür hat Klas Sorger bereit: „Die feinporigen Partikel aus recyceltem Beton fungieren als eine Art Wasserspeicher, der das Wasser nach und nach freisetzt. Das ist vorteilhaft für die Hydratation des Zements.“ Diese Hypothese hat 2013 ein Team der Technischen Universität Lissabon aufgestellt, das die Nutzung von recyceltem Beton in der Mörtelproduktion untersucht hatte.

Die Werte für die Haftzugfestigkeit nach Warmlagerung belegen die hohe Flexibilität aller hier untersuchten Formulierungen, denn die Warmlagerung erzeugt aufgrund der unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten von
Fliesen und Untergrund mechanische Spannungen,
denen der Fliesenkleber standhalten muss. Die hohe Flexibilität der Formulierungen ist auf das enthaltene VAE/VC-Polymer zurückzuführen. Bestimmung der Verformung der Formulierungen nach EN 12004-2 zeigte für alle Mischungen mit Recyclingbeton innerhalb der Messgenauigkeit gleiche Werte wie für die Referenz.

Die Prüfungen wurden später mit Fliesenklebern wiederholt, bei denen die gesiebte Feinkorn-Fraktion aus recyceltem Beton stammte, der vom Unternehmen Ettengruber ein halbes Jahr nach dem ursprünglich verwendeten Recyclingbeton erzeugt wurde. Erfreulicherweise ließen sich mit diesen Fliesenklebern die vorherigen Untersuchungsergebnisse reproduzieren. „Dies spricht für die sehr ähnliche Qualität der beiden Recyclingbeton-Chargen“, betont Klas Sorger. Recycelter Beton kann Quarzsand in Fliesenklebern ersetzen und somit zur Schonung natürlicher Ressourcen beitragen – so lautet das Fazit der WACKER-Chemiker nach ihren ausführlichen Untersuchungen.

„Ob der Einsatz von recyceltem Beton als Zuschlagsstoff im Fliesenkleber den CO2-Fußabdruck des Endprodukts tatsächlich senkt und zudem für den Trockenmörtel-Hersteller wirtschaftlich sinnvoll ist, hängt allerdings sehr von den Rahmenbedingungen ab, etwa den Herstellprozessen des Recyclingbetons, der Herkunft des zum Brechen des Baustoffs nötigen Stroms oder den Transportwegen“, ergänzt Linn Mehnert vom Sustainability-Team von WACKER POLYMERS. Zudem müsse beispielsweise nahe der Trockenmörtel-
Produktionsstätte recycelter Beton in ausreichender Menge und konstanter Qualität zur Verfügung stehen.

Im anwendungstechnischen Labor in Burghausen wird Fliesenkleber auf eine Betonplatte aufgetragen, um anschließend in bestimmten Zeitintervallen dessen Benetzungsfähigkeit zu prüfen.

Prüfung der
- Ausgangshaftzugfestigkeit
- und der Haftzugfestigkeiten nach Wasserlagerung,
- Warmlagerung
- und Frost-Tau-Wechseln.
Zwischen den Formulierungen 2 und 3 auf Basis von recyceltem Beton (Mitte und rechts) und der Referenzformulierung 1 gibt es keine signifikanten Unterschiede.

Kontakt

Mehr Informationen zum Thema erhalten Sie von

Herr Dr. Klas Sorger
Senior Technical Service Manager
WACKER POLYMERS
+49 8677 83-8115
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