01.10.2019 Lesezeit: ca. MinutenMinute

„Low volatile gehört die Zukunft“

Alle Flüssigsiliconkautschuke von WACKER SILICONES werden künftig deutlich weniger flüchtige Bestandteile aufweisen und sich teilweise auch ohne Tempern verarbeiten lassen, kündigt Geschäftsbereichsleiter Dr. Robert Gnann an.

Von wem kam der Anstoß zur Low-volatile-Initiative?

Vor allem von unseren Kunden und den Verarbeitern, aber auch von den Behörden. Neu ist dieser Trend in der Industrie allerdings nicht. Die Anforderung, die flüchtigen Bestandteile niedrig zu halten, gab es schon früh, zum Beispiel durch die sogenannte Toyota-Norm, die das Ausgasen im Automobil auf einem geringen Niveau halten soll. Flüssigsiliconkautschuke (Liquid Silicone Rubber/LSR) mit einem niedrigen Level flüchtiger Bestandteile haben viele Vorteile für unsere Kunden. Als einer der führenden LSR-Anbieter haben wir den Anspruch, auch auf diesem Gebiet eine Führungsrolle zu übernehmen.

Welche strategischen Ziele verfolgt WACKER mit seiner Low-volatile-Initiative?

Die Zukunft gehört Flüssigsiliconen, die sich ohne Tempern verarbeiten lassen. Unsere Strategie verfolgt drei Ziele: eine deutliche Effizienzsteigerung für unsere Kunden, eine Verbesserung der Qualität und ein erheblicher Beitrag zum Thema Sustainability. Bei der Weiterverarbeitung wird Energie eingespart und die Umwelt wird weniger belastet, weil der Eintrag flüchtiger Bestandteile in die Umwelt geringer ausfällt. Deshalb haben wir nicht nur einzelne Produkte, sondern unsere gesamte LSR-Produktpalette mit weniger flüchtigen Bestandteilen ausgestattet.

Wie hat sich WACKER mit dem neuen Low-volatile-Standard in der Branche der Siliconhersteller positioniert?

Unser LSR-Portfolio besteht aus zwei Plattformen im Hinblick auf low volatile: Zum einen wird, wie zuvor gesagt, unsere gesamte LSR-Produktpalette deutlich niedrigere flüchtige Bestandteile haben, als von bestehenden Regularien gefordert. Dies bietet den Verarbeitern deutliche Vorteile, insbesondere wenn es darum geht, Emissionsgrenzwerte einzuhalten. Zum anderen werden wir Produkte haben, die kein Nachtempern erfordern und dennoch die Normen und Grenzwerte zum Gehalt der flüchtigen Bestandteile, etwa bei Babysaugern, erfüllen.

Dr. Robert Gnann

„Große Fortschritte gemacht“: Dr. Robert Gnann, Leiter des Geschäftsbereichs WACKER SILICONES

Die Entflüchtigung wurde bereits 2017 angekündigt. Was führte dazu, dass die Arbeiten erst Anfang 2019 abgeschlossen werden konnten?

Unser Anspruch, gleichzeitig sowohl die Produkt- und auch die Verarbeitungsqualität zu erhöhen, war anspruchsvoll. Wir haben während der Entwicklung der Low-volatile-Plattformen sehr viel Zusätzliches über LSR gelernt, insbesondere in der Verbindung von Prozessparametern mit Produkteigenschaften. Zudem wollten wir sicherstellen, dass wir tatsächlich auch die Volumina herstellen können, die vom Markt gefordert werden. Im Projekt erkannten wir, dass unser System und der Prozess weiterhin viele Möglichkeiten zur Optimierung bieten. Ich bin mir sicher, dass wir große Fortschritte gemacht haben, und gratuliere allen beteiligten Mitarbeitern zu der tollen Leistung. Aber Stillstand werden wir uns nicht erlauben, die Ansprüche an Produkt und Verarbeitungseigenschaften werden weiterhin kontinuierlich steigen. Das Potenzial von LSR, des einzigen flüssigen und leicht pumpbaren Kautschuks, ist noch lange nicht ausgereizt.

Welchen Nutzen haben die LSR-Verarbeiter von der Entflüchtigung des LSR-Portfolios?

Der Produktivitätsgewinn bei unseren Kunden ist uns wichtig. Dies betrifft nicht nur ein reduziertes Handling von Formteilen wie das zumeist manuelle Bestücken der Temperöfen, sondern auch die Energieeinsparung durch den Wegfall des Temperns. Zudem könnte die aufwendige Reinigung von Prozessabgasen bei der Verarbeitung entfallen. Anspruchsvolle Spezifikationen bezüglich des Gehalts flüchtiger Bestandteile wie bei der bereits erwähnten Toyota-Norm lassen sich mit unseren Produkten problemlos erreichen. Wichtig bleibt jedoch immer, dass es bei alldem keine Kompromisse bei der Produktqualität und bei der Verarbeitung gibt.

Derzeit betrifft die Entflüchtigung nur die in Europa hergestellten LSR-Typen. Gibt es Überlegungen oder Planungen, die Low-volatile-Initiative auf Produktionsstandorte in anderen Weltregionen auszuweiten?

Unser Anspruch ist es, unseren Kunden global gleiche Produktqualitäten zur Verfügung zu stellen. Dies wird aber nicht „über Nacht“ kommen, da die Technologie auch mit erheblichen Investitionen verbunden ist.

Warum hat sich WACKER entschieden, gerade das LSR-Portfolio zu entflüchtigen – und nicht etwa das Portfolio der Festsiliconkautschuke oder der raumtemperaturvernetzenden Silicone?

Der Trend zu weniger flüchtigen Bestandteilen wird unser gesamtes Portfolio an Siliconprodukten betreffen. Getrieben wird dies durch die Produktivitätssteigerung bei unseren Kunden, die sich dadurch ergibt, dass Prozessschritte wegfallen. Gleichzeitig haben wir bei WACKER uns dem Thema Sustainability verschrieben und möchten bei der Weiterverarbeitung der Siliconprodukte den Eintrag flüchtiger Bestandteile in die Umwelt minimieren. Diesem generellen Weg hat sich die gesamte Siliconindustrie verpflichtet, und er wird gleichzeitig in Teilen von den Behörden eingefordert. Doch das ist, wie schon angedeutet, mit erheblichem Entwicklungsaufwand und erheblichen Investitionen verbunden. Wir werden auch herausfinden, wie viel dieser Aufwand unseren Kunden wert ist. Dennoch werden wir sicherlich nicht beim LSR aufhören, uns in die Richtung low volatile zügig weiterzuentwickeln. Es ist aber kein Geheimnis, dass die Entflüchtigung bei Produkten mit hoher Viskosität, beispielsweise HTV-Kautschuken, technisch anspruchsvoller wird. Aber auch hier arbeiten wir an Lösungen.

Kontakt

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Herr Dr. Thomas Frese
Leiter technisches Marketing
Rubber Solutions WACKER SILICONES
+49 8677 83-4947
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