Die hochpigmentierten Acryllacke, oft auf Nitrobasis formuliert, sind nur schwer wieder zu entfernen.

10.11.2020 Lesezeit: ca. MinutenMinute

Schutzschild für Streetart

Bisher waren die Antigraffiti-Beschichtungen auf Basis von SILRES® BS 710 nur für offenporige Oberflächen wie Beton geeignet. Doch dank der Vorbehandlung mit einem neuentwickelten Primer lassen sich jetzt auch glatte, nichtmineralische Oberflächen behandeln. So können zum Beispiel künstlerisch ansprechende Graffiti vor Übermalungen geschützt werden.

Es ist ein ungeschriebenes Gesetz in der Streetart-Szene: ein fremdes Graffito ist tabu. Das sogenannte Crossen ist für echte Graffiti-Künstler eine absolute Unart. Doch nicht alle halten sich an die Regeln. „Durch dieses rücksichtslose Verhalten werden auch ansprechend gestaltete Graffiti zerstört“, sagt Marianne Kreuzpointner, Marketing Managerin für Construction Chemicals bei WACKER SILICONES, der solche Kunstwerke mittlerweile immer häufiger ins Auge fallen. So auch die auf den drei Trafohäuschen des Stromanbieters Strotög in Töging am Inn, unweit des WACKER-Standorts in Burghausen. „Bereits vor etwa zwei Jahren haben wir uns dazu entschlossen, diese beiden Häuschen von professionellen Graffiti- Künstlern aus Potsdam verschönern zu lassen“, sagt Andreas Vogl, technischer Leiter bei Strotög. „Aber leider gibt es überall Rowdys, die ihr Zeichen hinterlassen müssen.“ Und so kam der Anruf von Marianne Kreuzpointner mit dem Hinweis auf ein effektives Schutzsystem genau zum richtigen Zeitpunkt.

Graffitti

Die Probe aufs Exempel: Auf das Wandbild aufgebrachte Graffiti lässt sich mit Wasser und einem Schwamm ganz einfach abwischen. Mehr als 20 Reinigungszyklen übersteht der Siliconfilm problemlos.

Kunstvoll-ironische Street Art vor einer mittlerweile abgebauten Telefonzelle der Deutschen Telekom.

Kunstvoll-ironische Street Art vor einer mittlerweile abgebauten Telefonzelle der Deutschen Telekom.

Entfernen ohne Beschädigen

Im Fokus der WACKER-Experten stehen permanente Fassadenbeschichtungen, von denen sich Graffiti leichter und umweltschonender wieder abwaschen lassen. Schließlich verursacht das Entfernen der aggressiven Lacke beträchtliche Kosten und die Reinigungsprozeduren nach Sprühattacken können die Oberfläche der betroffenen Fassaden in Mitleidenschaft ziehen. Technologien, die Gebäude langfristig schützen, sind deswegen gefragt. Das weiß auch Alfred Martius, Anwendungstechniker bei der sächsischen Firma Rubersteinwerk GmbH. „Als Spezialist für bauchemische Produkte im Abdichtungsbereich, in der Denkmalpflege und Sanierung und Instandsetzung arbeiten wir schon seit vielen Jahren mit WACKER zusammen und haben sehr gute Verbindungen zu dem Team“, erklärt er.

Bereits seit Ende 2016 setzen die Ruberstein-Experten Silicone von WACKER für Anti-Graffiti-Beschichtungen ein, genauer gesagt: SILRES® BS 710: Dieser Ein-Komponenten-Siliconkautschuk härtet bei Raumtemperatur unter der Einwirkung von Luftfeuchtigkeit zu einem Siliconelastomer aus, sodass Oberflächen dauerhaft geschützt werden. SILRES® BS 710 ist der Wirkstoff des Anti Graffiti Produktes von Ruberstein. „Wir formulieren in Kombination mit weiteren Zutaten ein verkaufsfertiges Produkt. Schließlich soll sich die Beschichtung gut handhaben lassen. Da kommt es auf die richtige Konsistenz an, damit Maler diese mit Pinsel, Rolle oder Airless-Spraygeräten optimal aufbringen können“, erklärt Martius. Zum Schutz von Graffiti-Kunstwerken war eine Weiterentwicklung nötig, um die Haftung von SILRES® BS 710 auf glatten Oberflächen zu ermöglichen.

„Anfangs haben wir die Wirksamkeit des Produktes zunächst auf Fassaden, also saugfähigen mineralischen Oberflächen geprüft und ausgelobt, beispielsweise auf Beton, Naturstein und Ziegeloberflächen“, erklärt Dr. Hartmut Ackermann, Leiter des anwendungstechnischen Labors für die Bauchemie, bei WACKER in Burghausen. Der Grund: Die Tags und Lacke haften auf der Oberfläche und verankern sich auch im oberflächennahen Porengefüge des Mauerwerkes und sind daher schwer zu entfernen. Dr. Hartmut Ackermann und seiner Vermarktungskollegin Marianne Kreuzpointner wurde aber schnell klar, dass es auch einen Bedarf für nichtmineralische beziehungsweise glatte Oberflächen gibt. Dazu zählen zum Beispiel Metalle, Kunststoffe, Holz, Glas und beschichtete Oberflächen. Ebenso Fassaden, die bereits mit einem Graffito gestaltet sind. „Auf den Graffiti der Trafohäuschen in Töging würde die Antigraffiti-Beschichtung auf Basis von SILRES® BS 710 nicht gut und langlebig haften“, erklärt Dr. Ackermann. Die Lösung: Der neu entwickelte Haftvermittler, ermöglicht die stabile Haftung von SILRES® BS 710 auf dem schützenswerten Graffiti.

Zum Schutz von Graffiti-Kunstwerken war eine Weiterentwicklung noetig.

Dr. Hartmut Ackermann, Leiter Anwendungstechnik, Construction, Chemicals, WACKER SILICONES

Primer optimiert Adhäsion

Diesen Spagat haben die Chemiker um Dr. Hartmut Ackermann gemeistert und aus Silanen und Siliconharzen einen sogenannten Primer entwickelt. Diesen nutzten die Ruberstein-Techniker als Rohstoff, um daraus eine gebrauchsfertige Grundierung zu formulieren. „Unser Produkt ist recht dünnflüssig und darum sehr ergiebig, sodass man pro Quadratmeter etwa 50 Milliliter benötigt. Innerhalb von einer halben Stunde trocknet die farblose Grundierung aus und die Antigraffiti-Beschichtung kann aufgebracht werden“, erklärt Alfred Martius. Der Primer von WACKER optimiert die Adhäsion zu anderen organischen Systemen – sprich den Sprühlacken. Gleichzeitig verbessert er die Haftung des anschließenden Schutzanstrichs.

„Für saugfähige Untergründe werden pro Quadratmeter etwa 250 Milliliter des Antigraffiti-Produktes benötigt. Auf glatten Substraten sind 150 Milliliter ausreichend“, erklärt Alfred Martius vom WACKER-Partner Ruberstein. Nach etwa vier Stunden ist der Schutzanstrich klebfrei, nach einem Tag Aushärtezeit hat sich ein permanenter Siliconfilm gebildet der dann einer Sprühlack-Attacke dauerhaft Stand hält.

„Um zu zeigen, dass die Graffiti-Kunstwerke auf den Töginger Trafohäuschen optimal geschützt sind beziehungsweise sich unkompliziert und schnell reinigen lassen, bin ich sogar selbst ausnahmsweise zur legalen Sprayerin geworden“, erklärt Marianne Kreuzpointner schmunzelnd und Strotög-Experte Vogl ergänzt: „Wenn man sieht, wie leicht sich die geschützte Fassade jetzt lediglich mit einem Wasserstrahl reinigen lässt, ist das schon beeindruckend. Wir wissen ja, wie schwierig es war die Sprühfarben vorher abzubekommen.“

Dass Graffiti, Plakate und Co. so schlecht auf dem Siliconfilm haften, resultiert aus der besonders geringen Oberflächenspannung des Siliconpolymers. Auf Grund der höheren Oberflächenspannung der Sprays und Tags bildet sich kein einheitliches Sprühbild aus.

Gleichzeitig bringt der etwa 100 Mikrometer dicke Antigraffiti-Anstrich weitere Vorteile mit sich: Die Silicone vernetzen sich untereinander zu einem stabilen, aber auch elastischen Film, der sich um bis zu 30 Prozent dehnen lässt. Risse und Unebenheiten werden also effektiv überbrückt und bewahren den Untergrund vor Farbschäden. Dennoch handelt es sich um eine atmungsfähige Barriere. Luftfeuchtigkeit kann aus dem Mauerwerk diffundieren somit kann sich kein Nährboden für mikrobiologischen Bewuchs bilden. Zudem ist die Graffiti-Prophylaxe dauerhaft: Mehr als 20 Reinigungszyklen übersteht der Siliconfilm ohne weiteres. Und er trotzt Hitze und UV-Licht, ohne zu vergilben. „Die Beschichtung auf den Fassaden, die bereits vor vier Jahren beschichtet wurden, sind immer noch intakt. Und sollte die schützende Haut dennoch einmal beschädigt sein, lässt sie sich ganz unkompliziert wieder ausbessern“, erklärt Marianne Kreuzpointner – und hofft, dass damit Graffiti auf den Töginger Trafohäuschen ein langes, unbeschadetes Leben beschert bleibt.

Drei Systeme zur Graffittiprophylaxe

Man unterscheidet temporäre, permanente oder semipermanente Beschichtungen.

Temporär

Temporäre Systeme bestehen aus Wachsen, Biopolymeren oder Acrylaten. Der Schutzfilm ist unsichtbar und eignet sich auch für denkmalgeschützte Gebäude. Ein weiterer Vorteil: Die Systeme sind atmungsaktiv. Feuchtigkeit kann also aus der Bausubstanz verdampfen. Einen dauerhaften Schutz bieten die temporären Filme allerdings nicht, weil sie bei jeder Reinigung entfernt und dann vollständig erneuert werden müssen. Selbst ohne Graffiti-Attacke hält die Schicht nur wenige Jahre.

Temporär
Semipermanent

Semipermanent

Bei semipermanenten Systemen geht nur eine Schichtkomponente bei der Reinigung verloren. Nach jeder Graffiti-Entfernung und im Turnus von drei bis fünf Jahren muss der Untergrund erneut behandelt werden. Semipermanente Beschichtungen haben den Vorteil, dass sie mit dem Auge kaum wahrnehmbar und durchlässig für Wasserdampf sind. Eingesetzt werden oftmals Mischungen aus organischen Wachsen, Silanen und Siloxanen.

Permanent

Permanente Anti-Graffiti-Systeme bieten den großen Vorteil, dass sie nach der Graffiti-Entfernung intakt bleiben und viele Jahre halten, ohne ihre Schutzwirkung zu verlieren. Allerdings verändern sie meist das Aussehen des Untergrunds. Zudem versiegeln viele Produkte die Oberfläche und behindern so den natürlichen Feuchtigkeitsaustausch. In der Folge löst sich der Schutzfilm stellenweise ab, sodass es zu Blasenbildungen und Farbabplatzungen kommen kann. Auch Feuchtigkeitsschäden an der Bausubstanz sind möglich. Weil das neue WACKER-Produkt aus wasserdampfdurchlässigen Siliconen besteht, tritt diese unerwünschte Nebenwirkung dabei nicht auf.

Permanent

Kontakt

Mehr Informationen zum Thema erhalten Sie von

Frau Marianne Kreuzpointner
Marketing Managerin
Construction Chemicals
+49-8677-83-2388
Nachricht senden