Siliconartikel

Schnell, effizient, kostengünstig und in hoher Präzision

01.10.2019 Lesezeit: ca. MinutenMinute

Neue Maßstäbe gesetzt

Bisher mussten Siliconartikel oft erst thermisch nachbehandelt werden, damit sie die geforderten Eigenschaften erhalten. Doch jetzt ist Abhilfe in Sicht, denn WACKER hat die flüchtigen Restsubstanzen in seinen Flüssigsiliconkautschuk-Produkten erheblich gesenkt.

Flüssigsiliconkautschuke – in der Fachwelt auch unter der Bezeichnung Liquid Silicone Rubber, kurz LSR, bekannt – haben sich seit ihrer Einführung in den 1980er-Jahren fest auf dem Markt etabliert. „Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass solche Silicone im Spritzgießverfahren vollautomatisiert zu Siliconformteilen verarbeitet werden können“, erklärt Dr. Thomas Frese, Leiter eines anwendungstechnischen Labors im Business Team Rubber Solutions von WACKER SILICONES. „Auf diese Weise lassen sich Artikel in großen Stückzahlen schnell, effizient, kostengünstig und in hoher Präzision fertigen.“

In den meisten Fällen werden die spritzgegossenen Formteile getempert. Diese nachgeschaltete Hitzebehandlung ist beispielsweise bei Siliconartikeln erforderlich, die aus konventionellen Flüssigsiliconen hergestellt wurden und im Lebensmittel-, Babycare- oder Medizinbereich verwendet werden sollen. Man entfernt damit flüchtige oder extrahierbare Restsubstanzen aus dem Elastomer. Nur so lassen sich die strengen regulatorischen Vorgaben für Siliconartikel einhalten, die für diese sensitiven Anwendungen gelten. Darüber hinaus erhöht die Industrie auch den Druck auf die Siliconverarbeiter, den Flüchtigengehalt in den Endprodukten zu verringern. Siliconhersteller registrieren deshalb immer häufiger Anfragen nach Low-volatile-LSR, also nach Flüssigsiliconkautschuk-Typen mit einem niedrigen Gehalt an flüchtigen Substanzen.

Flüchtigengehalt reduziert

„Wir haben uns dieser Herausforderung gestellt und den Flüchtigengehalt in unseren LSR-Typen, die in Europa hergestellt werden, signifikant reduziert“, erklärt Dr. Wolfgang Schattenmann, der das Business Team Rubber Solutions bei WACKER SILICONES leitet. „Damit haben wir unser LSR-Sortiment zu einem Low-volatile-Produktportfolio aufgewertet.“

Außerdem präsentiert das Unternehmen ELASTOSIL® LR 5040, eine Produktreihe speziell zur Herstellung von Siliconartikeln für den Lebensmittel-, Babycare-, Pharmazie- und Medizinbereich. „Diese Produktreihe geht noch einmal weit über den neuen Standard des Low-volatile-LSR-Produktportfolios hinaus“, erklärt Claudia Berghammer, Senior Marketing Managerin bei WACKER SILICONES. „Formteile aus ELASTOSIL® LR 5040 erfüllen die gesetzlichen Vorgaben für sensitive Anwendungen, ohne dass sie getempert werden müssen.“ Diese Produktreihe hatte der Konzern bereits auf der K 2016 angekündigt. Jetzt stehen alle Typen dieser Reihe einer breiten Kundenbasis in vollem Umfang zur Verfügung.

Beißtestprüfung für Trinksauger

Im anwendungstechnischen Labor in Burghausen wird der vulkanisierte Flüssigsiliconkautschuk auf seine mechanische Belastbarkeit – hier in einer Beißtestprüfung für Trinksauger – getestet.

„Mit ELASTOSIL® LR 5040 fällt der Temperaufwand komplett weg und wir produzieren direkt in die Endverpackung."

Martin Rapperstorfer, Vertriebsleiter, RICO GROUP GmbH

Spritzgegossene Siliconformteile sind im Idealfall ohne weitere Fertigungsschritte einsatzbereit. In der Praxis ist es allerdings oftmals sinnvoll und in den meisten Fällen sogar notwendig, die Teile bei hohen Temperaturen in einem gut belüfteten Ofen mehrere Stunden lang auszuheizen. Diese als Tempern bezeichnete thermische Nachbehandlung verbessert unter anderem die mechanischen Eigenschaften des Elastomers. Sie sorgt aber auch dafür, dass flüchtige Bestandteile entfernt werden, die als Nebenprodukte bei der Herstellung der eingesetzten Rohstoffe entstehen und die später bei der Vulkanisation des Kautschuks nicht in das Elastomernetzwerk eingebaut werden. Bei diesen flüchtigen Bestandteilen handelt es sich im Wesentlichen um niedermolekulare Siloxane.

Graph Flüchtigengehalt

Flüchtigengehalt*: In ungetemperten Artikeln aus ELASTOSIL® LR 5040 (blaue Balken) liegt der Flüchtigengehalt in einer Größenordnung von 0,2 bis 0,3 Prozent und damit weit unterhalb des Grenzwerts von 0,5 Prozent, wie er zum Beispiel vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) für Lebensmittelanwendungen gefordert wird. Ein marktübliches Standard-Flüssigsilicon dagegen hat im ungetemperten Zustand einen Flüchtigengehalt im Bereich von 1 bis 1,2 Prozent und muss getempert werden, um den Grenzwert zu unterschreiten. (* In Gewichtsprozent.)

Graph low-volatile-Portfolio

Extrahierbare Stoffe aus Standard-LSR im ungetemperten Zustand vor und nach der Aufwertung zu einem low-volatile-Portfolio (in ppm*): Dank seiner Low-volatile-Initiative hat WACKER den Flüchtigengehalt seines gesamten Flüssigsiliconkautschuk-Portfolios um mehr als 90 Prozent gesenkt. Zur Veranschaulichung der Reduzierung der flüchtigen Bestandteile wurden Heptan-Extrakte der ungetemperten Vulkanisate mittels Gaschromatographie analysiert. (* Extrahierbare Dx-Siloxane aus Heptan-Extrakt einer ELASTOSIL® LR 3003/60, Analyse GC.)

Strenge Sicherheitsstandards

Ob eine Wärmenachbehandlung notwendig ist, hängt von der Zusammensetzung der verarbeiteten Siliconkautschukmasse und von der späteren Verwendung der Formteile ab. Bei Artikeln für sensitive Anwendungen setzt der Gesetzgeber beispielsweise mit strengen Reinheitsvorschriften einen hohen Sicherheitsstandard. Besonders rein müssen Siliconartikel für Lebensmittel- und Babycare-Anwendungen sein. In diesen Fällen darf der Flüchtigengehalt höchstens 0,5 Prozent betragen.

Diesen Grenzwert nennen die Empfehlung „XV. Silicone“ des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), das französische „Arrêté du 25 novembre 1992“ und die Schweizer „Bedarfsgegenständeverordnung 817.023.21“ für Anwendungen im Kontakt mit Lebensmitteln. Sollen Siliconartikel als Säuglings- oder Kleinkind-Trinkausstattung verwendet werden, gilt die europäische Norm EN 14350-2. Für Beruhigungssauger muss die EN 1400 erfüllt sein.

Als Maß für den Flüchtigengehalt wird in diesen Regularien der Gewichtsverlust herangezogen, den die Siliconartikel bei einer genau festgelegten Hitzebehandlung aufweisen – in vielen Fällen vier Stunden Lagerung bei 200 Grad Celsius. Getrocknete Proben der Formteile dürfen bei dieser Behandlung nicht mehr als 0,5 Prozent ihrer Masse verlieren. Vulkanisate marktüblicher Flüssigsiliconkautschuke genügen den Vorschriften nur im getemperten Zustand.

In vielen Fällen sind auch in Siliconartikeln für technische Anwendungen flüchtige Siliconbestandteile unerwünscht. „Hier stehen die technischen Auswirkungen im Mittelpunkt, die durch die niedermolekularen Siloxane verursacht werden können“, erklärt der WACKER-Chemiker Dr. Thomas Frese. „Sie können beispielsweise auf unterschiedlichen Wegen – durch Verdampfen, Extraktion oder Migration – vom Siliconartikel in andere Medien oder auf andere Gegenstände gelangen und dort unerwünschte Effekte auslösen. Daher haben viele Branchen, darunter auch die Automobilindustrie, ein großes Interesse an Siliconkautschuken mit einem niedrigen Gehalt an niedermolekularen Restbestandteilen – auch wenn hier die Vorgaben anders sind als bei sensitiven Anwendungen.

Beißring

Beißring für zahnende Kleinkinder aus ELASTOSIL® LR 5040: Für solche Anwendungen spielt auch die Weiterreißfestigkeit eine große Rolle.

Spezifische Anforderungen

Diesen unterschiedlichen Bedürfnissen trägt WACKER durch seinen Ansatz Rechnung, einerseits sein gesamtes LSR-Sortiment zu einem Low-volatile-Portfolio zu machen und andererseits eine Produktreihe auf den Markt zu bringen, die speziell auf die besonderen Anforderungen im Lebensmittel-, Babycare-, Medizintechnik-
und Pharmasektor zugeschnitten ist – die Produktreihe ELASTOSIL® LR 5040.

Für den Siliconverarbeiter bedeutet das Tempern der Vulkanisate einen zusätzlichen Prozessschritt, der nicht nur mit einem hohen Energieeinsatz verbunden ist und Emissionen erzeugt, sondern auch die Produktivität begrenzt. Während das Spritzgießen und das Verpacken der Artikel vollautomatisch und mit kurzen Taktzeiten ablaufen, ist das Tempern ein weitgehend manueller Prozess. Die Wärmenachbehandlung unterbricht die Prozesskette und begrenzt die Fertigungskapazität. Zudem kann es bei unsachgemäßem Tempern zur Bildung explosionsfähiger Gemische im Ofen kommen.

Graph Weiterreisswiderstand

Weiterreisswiderstand (N/mm)
Vulkanisate von ELASTOSIL® LR 5040 (blaue Kurve) zeichnen sich im ungetemperten Zustand durch einen deutlich höheren Weiterreißwiderstand als getemperte Standard-Flüssigsiliconkautschuke (rote Kurve) aus. Daher müssen Spritzgussteile aus ELASTOSIL® LR 5040 zur Verbesserung ihrer mechanischen Eigenschaften vor Auslieferung nicht mehr thermisch nachbehandelt werden.

Ziel war es deshalb, den Siliconverarbeitern diesen aufwendigen Prozessschritt zu ersparen. Für sensitive Anwendungen entwickelte ein Team um Dr. Frese ELASTOSIL® LR 5040. Auf der Grundlage einer neuartigen WACKER-eigenen Verfahrenstechnologie und eines neuen Formulierungskonzepts gelang es, mit ELASTOSIL® LR 5040 eine Produktreihe bereitzustellen, die innerhalb des LSR-Produktportfolios den mit Abstand geringsten Gehalt flüchtiger, extrahierbarer und migrationsfähiger Bestandteile aufweist und hinsichtlich des Restgehalts flüchtiger Substanzen die genannten Richtlinien für sensitive Anwendungen erfüllt.

Siliconartikel, die aus diesen Kautschuktypen hergestellt werden, erreichen darüber hinaus bereits im ungetemperten Zustand die geforderten sehr guten mechanischen Eigenschaften. Die Prozedur des Temperns ist bei solchen Anwendungen in Zukunft nicht mehr erforderlich.

Aus der Sicht eines Verarbeiters wie der RICO Group, eines international agierenden Komplettanbieters für individuelle Kunststoff lösungen, vereint das Material einige Vorteile, die sich letztendlich auf der Kostenseite
wiederfinden. „Aktuell muss jedes verarbeitete Kilo Flüssigsiliconkautschuk in Form von Fertigteilen in Trommeln oder Trays zu den Temperöfen transportiert werden“, berichtet Vertriebsleiter Martin Rapperstorfer. „Anschließend erfolgt die Verpackung, bei der die LSR-Teile noch einmal bereitgestellt werden müssen. Mit ELASTOSIL® LR 5040 fällt der Temperaufwand komplett weg und wir produzieren direkt in die Endverpackung“, hebt der österreichische Ingenieur hervor. „Dies hat nicht nur eine Ersparnis der Arbeitsschritten zur Folge, sondern spart auch wertvolle Ressourcen in Form von Energie- und Personalaufwand.“ Zudem könne eine Kontaminierung der Teile während der Manipulationsschritte nahezu ausgeschlossen werden.

Das WACKER-Projektteam um Dr. Thomas Frese prüfte auch die verschiedenen Härtevarianten der neuen ELASTOSIL® LR-5040-Reihe eingehend. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, ob die Vulkanisate die hochgesteckten Ziele hinsichtlich der Verarbeitbarkeit, der Reinheit und der mechanischen Eigenschaften erfüllen.

Verarbeitung im Spritzguss

Die Untersuchungen zeigen, dass die Flüssigsilicone sehr schnell vernetzen und sich ohne Schwierigkeiten durch Spritzgießen verarbeiten lassen. Zur Verfügung stehen Härtegrade von 30 bis 70 Shore A, darunter auch die im Babycare-Bereich vielseitig einsetzbare Type der Shore-A-Härte 45. Anders als bei konventionellem Siliconkautschuk beziehen sich die angegebenen Härtegrade auf den ungetemperten Zustand. Sie werden bei ELASTOSIL® LR 5040 mit einer besonders engen Toleranz von ±3 Shore-A-Punkten erreicht. Somit kann der Verarbeiter hinsichtlich der Härte sehr präzise auf die Anforderungen seiner Kunden reagieren.

Die Überprüfung des Flüchtigengehalts erfolgte über Gewichtsverlustmessungen, wie sie das BfR für Lebensmittelanwendungen empfiehlt. Dabei wurden Untersuchungen an Proben aus ungetemperten, zwei Millimeter starken Prüfplatten durchgeführt. Um den Einfluss unterschiedlicher Geometrien beurteilen zu können, erfolgten ergänzende Untersuchungen. Dabei lagen die Gewichtsverluste bei sämtlichen Typen der neuen Produktreihe zwischen 0,15 und 0,4 Prozent und unterschritten somit sicher die 0,5-Prozent-Hürde. Der Sicherheitsabstand zum Grenzwert ist damit so groß, dass unabhängig von der Geometrie der Formartikel in nahezu allen Fällen nicht getempert werden muss, um die gesetzlichen Vorgaben zum Flüchtigengehalt einzuhalten. In einer ähnlichen Größenordnung lagen die Gewichtsverlustwerte, wenn die Proben nach anderen europäischen Normen untersucht wurden.

Für Silicone, die in sensiblen Anwendungen eingesetzt werden, sind in etlichen Gesetzen und Normen auch Obergrenzen für extrahierbare oder migrationsfähige Bestandteile genannt. Vorgaben dazu finden sich etwa in der Verordnung CFR 21 § 177.2600 der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA), im Abschnitt 3.1.9 der europäischen Pharmacopeia und in der BfREmpfehlung „XV. Silicone“. Sie sind auch in der Gesetzgebung einiger EU-Mitgliedsstaaten aufgeführt. Auch diese Anforderungen erfüllt ELASTOSIL® LR 5040 im ungetemperten Zustand. Zudem sind die ungetemperten Vulkanisate der neuen Flüssigsilicone biokompatibel nach den Vorgaben der USamerikanischen Pharmacopeia (USP Class VI) und nach ausgewählten Prüfungen der Norm ISO 10993.

Spritzgussmaschine

Auch diese Spritzgussmaschine von ACH, einem führenden Hersteller von Maschinen und Werkzeugen zur Siliconverarbeitung, wird auf dem WACKER-Stand auf der Kunststoffmesse K zu sehen sein. Gezeigt wird, wie aus ELASTOSIL® LR 5040 Deckel für tragbare und wiederverwendbare Kaffeebecher entstehen.

Rein und reißfest

Den Anspruch der neuen Flüssigsilicone, außerordentlich rein zu sein, unterstreicht auch ihr optisches Erscheinungsbild: Sie sind transluzent und schimmern zartblau. Die aus ihnen hergestellten Formteile hinterlassen einen besonders hochwertigen, sauberen Eindruck. Außerdem konnte die Vergilbungsneigung, wie sie oftmals bei der Lagerung getemperter Artikel aus Flüssigsiliconkautschuk auftritt, auf ein Minimum reduziert werden.

Hohe Anforderungen bestehen bei vielen sensitiven Anwendungen aber nicht nur hinsichtlich der Reinheit, sondern auch hinsichtlich der mechanischen Eigenschaften. „Trink- und Beruhigungssauger, Beißringe und andere Babycare-Artikel können die erforderliche Beißfestigkeit nur dann erreichen, wenn das Material hochweiterreißfest ist“, weiß die Marketing Managerin Claudia Berghammer. „Kleinere Risse dürfen sich auch dann nicht fortsetzen, wenn das Elastomer beansprucht wird. „Auch hier können unsere neuartigen Flüssigsiliconkautschuke punkten“, sagt Claudia Berghammer weiter: Ihre Vulkanisate besitzen bereits im ungetemperten Zustand einen Weiterreißwiderstand von bis zu 50 Newton pro Millimeter, gemessen nach ASTM D 624 B. Derartige Werte erreichen Vulkanisate konventioneller Flüssigsilicone normalerweise erst durch das Tempern, und hier auch nur ganz spezielle hochweiterreißfeste Produkte.

Für den Gewichtsverlust der neuen Silicontypen hat WACKER enge Grenzen festgelegt und prüft bei jeder Charge, ob diese Grenzen eingehalten werden. Weil die ungetemperten Vulkanisate dieser Flüssigsilicone die gesetzlichen Vorgaben für die flüchtigen, extrahierbaren und migrationsfähigen Bestandteile mit großem Abstand unterschreiten, bietet ihre Verwendung ein hohes Maß an Sicherheit. Mussten bislang die Siliconverarbeiter dafür sorgen, dass ihre Produkte die gesetzlichen Grenzwerte einhalten, geht mit ELASTOSIL® LR 5040 die Verantwortung dafür zu einem gewissen Teil auf WACKER über – der Verarbeiter wird spürbar entlastet.

Test auf Weiterreißfestigkeit

Im anwendungstechnischen Labor werden Prüfkörper aus ELASTOSIL® LR 5040 auf ihre Weiterreißfestigkeit getestet.

100 von 100 bestehen den Test

Die Entwickler um Thomas Frese gaben sich damit aber nicht zufrieden. Sie wollten auch wissen, wie sich das neue Silicon in ausgewählten Babycare-Anwendungen verhält. Dazu unterzogen sie spritzgegossene Trinksauger aus ELASTOSIL® LR 5040 einem simulierten Beißtest nach EN 14350-1. Dabei werden die Sauger zunächst auf definierte Weise angeritzt. Anschließend wird der Sauger gedehnt und muss zehn Sekunden einer Zugbelastung von 9,5 Kilogramm standhalten. Bei dieser anspruchsvollen mechanischen Prüfung müssen 100 von 100 der getesteten Trinksauger den Test bestehen, es darf kein Sauger vorzeitig reißen.

In diesen Tests schnitten ungetemperte Sauger, die aus dem neuen 45- oder 50-Shore-A-Silicon hergestellt wurden, besonders gut ab. Obwohl die Sauger unterschiedliche Geometrien besaßen, gab es keine Ausfälle. Damit ist das Ergebnis vergleichbar und in einigen Fällen sogar besser als das von getemperten Saugern, die aus marktüblichen LSR-Produkten hergestellt werden.

„Mit seinem äußerst niedrigen Restgehalt an flüchtigen Bestandteilen und den guten technischen Eigenschaften, die seine Vulkanisate bereits im ungetemperten Zustand erreichen, setzt ELASTOSIL® LR 5040 einen neuen Standard. Die Typen dieser Produktreihe markieren den Stand des technisch Machbaren und haben sich bereits für sensible Anwendungen als neue Referenz am Markt bewährt.“

Dr. Wolfgang Schattenmann, Leiter Rubber Solutions, WACKER SILICONES

Neue Möglichkeiten in der Verarbeitung

ELASTOSIL® LR 5040 eröffnet für den Siliconverarbeiter neue Möglichkeiten. Da der Prozessschritt des Temperns entbehrlich wird, kann der Bauteilhersteller seine Fertigung vereinfachen und eine deutlich höhere Produktivität erreichen. Möglich wird eine schlanke und vollautomatisierte Fertigung, die bei Bedarf auch vollständig im Reinraum durchgeführt werden kann. Mit dem Wegfall des Temperns ist auch die Gefahr einer Bildung explosionsfähiger Luftgemische vollständig gebannt. Damit tragen diese Silicone zu einer höheren Sicherheit im Fertigungsprozess bei.

Typische Beispiele für Siliconartikel, die jetzt ohne Tempern hergestellt werden können, sind neben Babycare-Produkten auch Teile, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, aber auch medizintechnische und harmazeutischtechnische Erzeugnisse – von Dichtungen für Küchenmaschinen, Kaffeemaschinen oder Aufbewahrungsbehältnisse über Dosierventile bis hin zu Atemmasken.

Die Anforderungen an einen möglichst geringen Gehalt flüchtiger und extrahierbarer Bestandteile steigen nicht nur für Siliconartikel, die für den Lebensmittel-, Babycare- und Medizintechniksektor produziert werden, sondern auch für Bauteile in technischen Anwendungen. Der Münchner Chemiekonzern hat deshalb die meisten seiner Flüssigsiliconkautschuke ebenfalls entflüchtigt. Durch die deutliche Verringerung des Restgehalts an flüchtigen Siloxanen wurde das Produktportfolio nun deutlich aufgewertet. Die Low-volatile-Initiative wurde Anfang 2019 abgeschlossen und betrifft sämtliche LSR-Typen, die WACKER in Europa produziert. Konkret sind dies die Produktgruppen ELASTOSIL® LR 3xxx, LR 6xxx und SILPURAN® 6xxx.

Die Verringerung des Flüchtigengehalts wurde durch verfahrenstechnische Optimierungen erreicht. Im Mittelpunkt dieser Aufwertung standen bestimmte flüchtige niedermolekulare Siliconbestandteile, die sogenannten Dx-Siloxane. Für sie gibt es in einigen Branchen wie in der Automobilindustrie Höchstgrenzen.

Aufbewahrungsboxen für Lebensmittel

Aufbewahrungsboxen für Lebensmittel: Im Deckel aus organischem Kunststoff ist eine Silicondichtung aus ELASTOSIL® LR 5040 eingelegt.

Gesamtes LSR-Portfolio aufgewertet

Für die Siliconverarbeiter bedeutet das: Der Flüchtigengehalt ist im neuen, aufgewerteten LSR-Portfolio von WACKER so niedrig, dass regulatorische und brancheninterne Vorgaben einfacher und sicherer erfüllt werden können als bisher. Und in einigen Fällen können die Verarbeiter sogar ganz auf das Tempern verzichten. Beispiel Autoindustrie: Gemäß der sogenannten Toyota-Norm dürfen Stecker- oder Einzeladerabdichtungen aus ölausschwitzenden Siliconen in Summe höchstens 350 ppm an bestimmten flüchtigen Dx-Siloxanen enthalten (von der Norm sind die zyklischen Siloxane D4 bis D8 erfasst). Dank der Low-volatile-Initiative von WACKER erfüllen die ölausschwitzenden Produkte der Reihe ELASTOSIL® LR 384x diese anspruchsvolle Vorgabe von japanischen Automobilherstellern bereits im ungetemperten Zustand.

Wichtig für Siliconverarbeiter ist auch folgender Aspekt: „Die Aufwertung des LSR-Portfolios wirkt sich in keiner Weise auf die mechanischen und chemischen Eigenschaften des Elastomers aus“, betont Dr. Thomas Frese. „Alle Produktfreigaben und Zertifikate behalten ihre volle Gültigkeit.“ Und auch unter Nachhaltigkeitsaspekten sei die Verringerung des Flüchtigengehalts ein großer Fortschritt, denn die aus den Produkten entfernten niedermolekularen Siloxane werden wieder umwelt- und ressourcenschonend in den Produktionskreislauf zurückgeführt.

„Die Typen unserer neuen Flüssigsiliconkautschuk-Produktreihe markieren am Markt den Stand des technisch Machbaren.“

Dr. Wolfgang Schattenmann, Leiter Rubber Solutions, WACKER SILICONES

Tempern

In den Materialwissenschaften steht der Begriff Tempern allgemein für die Hitzebehandlung eines Werkstoffs, durch die dieser Werkstoff seine Endeigenschaften erhält. Dies gilt auch für Silicone. Getemperte Siliconformteile sind in technischer Hinsicht und unter gesundheitlichen Aspekten ungetemperten Artikeln überlegen. In den Vulkanisaten von additionsvernetzenden Siliconkautschuken, zu denen auch die Flüssigsiliconkautschuke gehören, baut das Tempern überschüssigen Vernetzer ab, verbessert die Anbindung der Füllstoffe und treibt niedermolekulare Siliconbestandteile aus. Ergebnisse sind eine etwas höhere Härte, eine deutlich verbesserte Weiterreißfestigkeit, ein niedrigerer Druckverformungsrest und ein verringerter Flüchtigengehalt. Als Standardverfahren hat sich das vierstündige Tempern der Siliconartikel bei 200 Grad Celsius in einem speziell für diesen Zweck konstruierten Ofen etabliert, wobei aus Sicherheitsgründen fortwährend ein hoher Luftdurchsatz erforderlich ist. Weil die gesamte den Ofen durchströmende Luftmenge auf 200 Grad Celsius aufgeheizt werden muss, ist das Tempern mit einem hohen Energieaufwand verbunden.

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