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Unter Druck und Dampf

Nur wenige Elastomere eignen sich zur Herstellung von heißwasser- und wasserdampfbeständigen Formteilen. Deren Verarbeitung ist häufig aufwendig und die Formteile müssen teilweise manuell nachbearbeitet werden. Abhilfe schafft der neue Flüssigsiliconkautschuk ELASTOSIL® LR 3020/60.

Espressomaschine in einem Cafe in New York City, USA: Der Italiener Achille Gaggia ließ sich 1938 das Prinzip der Siebträger-Maschine patentieren, bei der heißes Wasser unter Druck durch das Kaffeepulver gepresst wird. Ziel dieser Zubereitung ist es, die Inhalts- und Aromastoffe möglichst vollständig zu extrahieren.

Espressomaschinen und Kaffeevollautomaten haben in ihrem Leben einiges auszuhalten: Mit hohem Druck von bis zu 10 Bar pressen sie mehr als 100 Grad Celsius heißes Wasser durch den gemahlenen Kaffee – und das viele Hundert Mal am Tag, wenn sie in der Gastronomie eingesetzt sind. Um dieser Dauerbelastung standzuhalten, müssen die Maschinen entsprechend robust sein – ihre Gehäuse ebenso wie die Leitungen und Dichtungen. Heißwasser-Kesselanlagen, wie sie in Fernheizungen oder zum Wärmetransport in Industrieanlagen zum Einsatz kommen, arbeiten in der Praxis sogar mit Wassertemperaturen von bis zu 180 Grad Celsius – und mit Überdrücken von 15 Bar und mehr.

Kaum ein anderes Medium setzt gummielastischen Dichtungen stärker zu als extrem heißes Wasser und Wasserdampf. Dies betrifft organische Elastomere ebenso wie Silicone. Nur wenige Materialien verkraften eine langanhaltende Belastung mit über 100 Grad Celsius heißem, unter erhöhtem Druck stehendem Wasser – in der Fachsprache als Heißwasser bezeichnet – und mit komprimiertem heißem Wasserdampf. Die schlechte Beständigkeit führt oft zum Versagen der Formdichtungen und damit letztlich zum Ausfall der Geräte, in denen die Dichtungen verbaut sind.

Zu den Kautschuken, aus denen heißwasser- und dampfbeständige Elastomer-Formteile hergestellt werden können, zählen Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuke (EPDM), Perfluor-Kautschuke (FFKM) und spezielle, für den Kontakt mit diesen Medien optimierte Typen von Fluorkautschuken (FKM) sowie spezielle Festsiliconkautschuk-Typen. Aus Kosten- und Umweltschutzgründen greifen Dichtungshersteller anstatt auf Fluor-Werkstoffe lieber auf geeignete alternative Werkstoffe zurück.

„Bei höheren Temperaturen, wie es bei Heißwasser oder heißem, komprimiertem Wasserdampf der Fall ist, haben die Wassermoleküle eine so hohe Energie, dass sie die Silicium-Sauerstoff-Bindungen des Siliconpolymers chemisch angreifen.“

Dr. Thomas Frese, Anwendungstechniker bei WACKER

Antwort auf Kostendruck

Julia Geßl testet die Beständigkeit von Siliconen gegenüber Dampf und anderen Medien im Autoklaven, einem gasdicht verschließbaren Druckbehälter, der nach dem Prinzip eines Schnellkochtopfs funktioniert. Anschließend werden die Prüfkörper den Standard-Stresstests für Elastomere wie einem Zugbelastungstest unterzogen.

Für den Kunststoffverarbeiter haben alle genannten Kautschuke allerdings einen weiteren Nachteil: „Ihre Verarbeitung im Spritzgießverfahren ist schwierig und macht eine kostengünstige Großserienproduktion unmöglich“, erklärt Dr. Thomas Frese, Leiter eines anwendungstechnischen Labors bei WACKER SILICONES in Burghausen. „Formteile müssen meist manuell nachbearbeitet werden; vor allem bei der Fertigung filigraner Artikel entsteht viel Ausschuss.“ Die Folge seien lange Zykluszeiten und damit hohe Produktionskosten. „Angesichts des Kostendrucks, unter dem die Branche steht, ist dies ein ernstes Problem“, ergänzt der Chemiker.

Mit ELASTOSIL® LR 3020/60 stellte WACKER auf der internationalen Messe für Kunststoff und Kautschuk, der K 2016, eine neue Flüssigsiliconkautschuk-Type vor, die speziell für die Herstellung von hydrolyse- und wasserdampfstabilen Formteilen entwickelt wurde. Der Kautschuk lässt sich problemlos und schnell im Spritzgießverfahren verarbeiten und ermöglicht die kostengünstige Großserienproduktion selbst von feingliedrigen Formteilen.

Elastomere dichten Fugen ab

In vielen Geräten sind Bauteile lösbar miteinander verbunden, wobei die Fuge zwischen zwei Bauteilen mit einer vorgefertigten Elastomer-Formdichtung abgedichtet wird. Häufig handelt es sich bei solch einer Dichtung um ein ringartiges Formteil, das in eine dafür vorgesehene Nut in die Fügefläche eines der beiden Bauteile eingelegt und bei der Montage des zweiten Bauteils verpresst wird. Dabei werden die gummielastischen Eigenschaften des Elastomers genutzt: Weil das Material elastisch ist und deshalb ein Rückstellvermögen hat, baut sich beim Komprimieren eine mechanische Spannung auf, die das Dichtungsmaterial an die umgebenden Begrenzungsflächen drückt. Wurde das Material genügend stark komprimiert, dichtet es die Fuge ab.

Auch Dampfkochtöpfe benötigen Dichtungen, die hohen Drücken und heißem Wasserdampf standhalten können – ein weiteres Einsatzgebiet für den neuen Siliconkautschuk von WACKER.

In der Anwendung wird das Dichtungsmaterial auf mehrere Weisen belastet: Die Verpressung zwingt ihm eine statische Verformung auf – also eine Verformung, die im Laufe der Zeit konstant bleibt. Häufig kommen im Betrieb dynamische, also zeitlich veränderliche Verformungen hinzu. Dies ist etwa bei Vibrationen der Fall. Besonders stark aber wirkt sich die Belastung durch das Betriebsmedium aus: Das Medium kann die Eigenschaften des Dichtungsmaterials erheblich verschlechtern. Je heißer das Medium, desto stärker belastet es das Elastomer. Im Extremfall geht dabei das Rückstellvermögen vollständig verloren, sodass die Dichtung versagt. Die Espressomaschine wird undicht, die Heißwasseranlage zur Gefahr für den Nutzer.

Selbst Siliconelastomere, die ja nicht nur für ihre Hitzebeständigkeit, sondern auch für ihre stark wasserabweisende Oberfläche und ihr geringes Wasseraufnahmevermögen bekannt sind, verlieren in der Regel unter längerer Heißwasser- oder Wasserdampfbelastung ihre Elastizität. Ausnahmen bestätigen die Regel: Einige Siliconhersteller bieten speziell optimierte Festsiliconkautschuk-Typen an, deren Vulkanisate zum Einsatz unter diesen Medien geeignet sind.

Vergleich mit einem Standardsiliconkautschuk:

Änderung der Materialeigenschaften nach Lagerung in heißem Wasserdampf (21 Tage bei 150 Grad Celsius)

Bleibende Druckverformung nach Lagerung in heißem Wasserdampf bei 150 Grad Celsius in Prozent

Vergleich mit einem Standardsiliconkautschuk:

Bleibende Druckverformung nach Lagerung in heißem Wasserdampf bei 150 Grad Celsius in Prozent

Für gewöhnliche Siliconelastomere stellen Langzeitanwendungen in Wasser bis etwa 100 Grad Celsius kein größeres Problem dar. „Bei höheren Temperaturen, wie es bei Heißwasser oder heißem, komprimiertem Wasserdampf der Fall ist, haben die Wassermoleküle aber eine so hohe Energie, dass sie die Silicium-Sauerstoff-Bindungen des Siliconpolymers chemisch angreifen“, berichtet der WACKER-Anwendungstechniker Dr. Thomas Frese. „Ist ihre Energie hoch genug, spalten sie diese Bindungen und zerlegen dadurch die Polymermoleküle in kleinere Bruchstücke.

Dieser als Hydrolyse bezeichnete Abbau ist die Hauptursache für den rapiden Rückgang von Elastizität und Festigkeit, wenn gewöhnliche Siliconelastomere Heißwasser oder heißem Dampf ausgesetzt werden.

„Bislang konnten nur Festsiliconkautschuke so formuliert werden, dass sie dieser Medienbelastung standhalten“, berichtet Dr. Frese weiter. Bei Standard-Flüssigsiliconkautschuken ergibt sich dagegen unter den gleichen Lagerbedingungen – unter Druck in heißem Wasser oder Dampf – ein Druckverformungsrest von praktisch 100 Prozent: Sie werden vollständig inelastisch und versagen als Dichtungsmaterial.

Für gewöhnliche Siliconelastomere stellen Langzeitanwendungen in Wasser bis etwa 100 Grad Celsius kein größeres Problem dar. „Bei höheren Temperaturen, wie es bei Heißwasser oder heißem, komprimiertem Wasserdampf der Fall ist, haben die Wassermoleküle aber eine so hohe Energie, dass sie die Silicium-Sauerstoff-Bindungen des Siliconpolymers chemisch angreifen“, berichtet der WACKER-Anwendungstechniker Dr. Thomas Frese. „Ist ihre Energie hoch genug, spalten sie diese Bindungen und zerlegen dadurch die Polymermoleküle in kleinere Bruchstücke.

Dieser als Hydrolyse bezeichnete Abbau ist die Hauptursache für den rapiden Rückgang von Elastizität und Festigkeit, wenn gewöhnliche Siliconelastomere Heißwasser oder heißem Dampf ausgesetzt werden.

„Bislang konnten nur Festsiliconkautschuke so formuliert werden, dass sie dieser Medienbelastung standhalten“, berichtet Dr. Frese weiter. Bei Standard-Flüssigsiliconkautschuken ergibt sich dagegen unter den gleichen Lagerbedingungen – unter Druck in heißem Wasser oder Dampf – ein Druckverformungsrest von praktisch 100 Prozent: Sie werden vollständig inelastisch und versagen als Dichtungsmaterial.

Geeignet für Medizintechnik

„Mit ELASTOSIL® LR 3020/60 steht jetzt erstmals ein hydrolyse- und wasserdampfstabiler Flüssigsiliconkautschuk zur Verfügung“, betont der WACKER-Chemiker. Seine Reißfestigkeit und Reißdehnung verschlechtern sich nach der Langzeitlagerung unter 150 Grad Celsius heißem Dampf vergleichsweise wenig. Zudem erweist sich das Vulkanisat als beständig gegenüber in der Medizintechnik gebräuchlichen Reinigungs- und Desinfektionsmitteln.

Wie alle Flüssigsiliconkautschuke ist ELASTOSIL® LR 3020/60 eine zweikomponentig formulierte Masse, die zur Verarbeitung im Spritzgießverfahren optimiert ist und durch eine platinkatalysierte Additionsreaktion zügig vernetzt. Das unvernetzte Material ist im Ruhezustand pastös und wird mit zunehmender Scherung immer dünnflüssiger. Wegen dieser als Strukturviskosität bezeichneten Eigenschaft lässt sie sich mithilfe einer Zweikomponenten-Misch- und -Dosieranlage problemlos in das Spritzaggregat der Spritzgießmaschine fördern. Zudem sind die Füllstoffe sehr gut im Kautschuk aufgeschlossen und dispergiert. Dies schafft eine weitere Voraussetzung für eine nahezu fehlerfreie Produktion.

Die guten Fließeigenschaften, die homogene Füllstoffverteilung und die schnelle Additionsvernetzung erleichtern das Spritzgießen deutlich. „ELASTOSIL® LR 3020/60 kann sehr viel effizienter verarbeitet werden als die herkömmlichen heißwasser- und dampfbeständigen Spezialkautschuke“, erklärt Dr. Wolfgang Schattenmann, Leiter des Business Teams Rubber Solutions bei WACKER SILICONES. Der Prozess lasse sich hochgradig automatisieren, die Verarbeiter erreichten kurze Zykluszeiten und eine nahezu nachbearbeitungs- und ausschussfreie Produktion – selbst bei sehr kleinen, hochpräzisen und geometrisch anspruchsvollen Fertigartikeln. „Auf diese Weise“, so Schattenmann weiter, „wird eine kostengünstige Großserienproduktion von hydrolysestabilen Elastomer-Formteilen möglich.

Werden Formteile aus ELASTOSIL® LR 3020/60 thermisch nachbehandelt, dürfen sie zudem mit Lebensmitteln und Trinkwasser, auch mit Warmwasser in Trinkwasseranwendungen, in Kontakt kommen. Das ergaben Prüfungen nach den Bestimmungen des Bundesamts für Risikoforschung (BfR), der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) und der in der Fachwelt als KTW-Leitlinie bekannten „Leitlinie zur hygienischen Beurteilung von organischen Materialien im Kontakt mit Trinkwasser“ des Bundesumweltamts (UBA).

Kostengünstige Produktion

Mit diesem Eigenschaftsprofil eröffnet ELASTOSIL® LR 3020/60 den Weg zur kostengünstigen Massenproduktion von hydrolysestabilen Elastomer-Artikeln für Anwendungen in nahezu allen Industriebranchen. Bei Anwendungen in der Lebensmittel- und pharmazeutischen Industrie sowie in der Medizintechnik ist von Vorteil, dass die Formteile auf die üblichen Weisen gereinigt, desinfiziert und sterilisiert werden können. Sie verkraften nicht nur die Dampfsterilisation im Autoklaven bei 121 oder 134 Grad Celsius, wie sie derzeit praktiziert wird, sondern auch höhere Dampftemperaturen, die sich in Zukunft als Standard durchsetzen könnten.

Andere Anwendungsmöglichkeiten sind Armaturen und Ausrüstungsgegenstände in der Sanitär-, Heizungs- und Anlagentechnik. Und natürlich Dichtungen für Weiße Ware wie Kaffeeautomaten, Schnellkochtöpfe oder Wasserkocher. ELASTOSIL® LR 3020/60 könnte demnächst also dazu beitragen, dass Espressomaschinen weiterhin unermüdlich ihren Dienst verrichten – trotz allen Drucks, dem sie während ihres langen Lebens ausgesetzt sind.

Druckverformungsrest

Verformt man eine Elastomerdichtung über eine längere Zeitspanne, so nimmt sie nach der Entspannung nicht mehr exakt ihre ursprüngliche Form an, sondern bleibt mehr oder weniger verformt. Das Ausmaß dieser bleibenden Verformung hängt davon ab, wie stark das elastische Rückstellvermögen des Materials unter den herrschenden Lagerbedingungen – verformende Kräfte, einwirkendes Medium und Temperatur – abnimmt. Auskunft darüber gibt der Druckverformungsrest, eine in genormten Prüfverfahren ermittelte Größe. Zur Bestimmung des Druckverformungsrestes wird ein Elastomerprüfkörper, dessen Form und Abmessungen in den Prüfnormen festgelegt sind, in eine Pressvorrichtung eingesetzt, auf ein vorher festgelegtes Ausmaß zusammengedrückt und in diesem Zustand eine bestimmte Zeit lang unter den Prüfbedingungen – etwa unter heißem Wasserdampf – gelagert. Wenn der Prüfkörper anschließend wieder entspannt wird, erreicht er nicht mehr seine ursprüngliche Höhe. Gemessen wird die Höhe des Prüfkörpers vor und nach dem Verpressen sowie nach der Entspannung.

Der Druckverformungsrest ist das in Prozent ausgedrückte Verhältnis aus der Höhenverringerung, die nach der Entspannung verbleibt, und der Höhe, um die der Prüfkörper verpresst wurde. Günstig ist ein niedriger Druckverformungsrest – dann hat das Material ein hohes elastisches Rückstellvermögen. Ein völlig inelastisches Material weist dagegen einen Druckverformungsrest von 100 Prozent auf. Im Falle von ELASTOSIL® LR 3020/60 wurden sechs Millimeter hohe Prüfkörper eingesetzt, auf drei Viertel ihrer Höhe, also um 1,5 Millimeter auf 4,5 Millimeter zusammengedrückt und 21 Tage lang im Autoklaven unter 150 Grad Celsius heißem Dampf gelagert. Nach der Entlastung nahmen die Prüfkörper eine Höhe von 5,07 Millimetern ein – es blieb also eine Höhenverringerung von 0,93 Millimetern zurück. Somit hat ELASTOSIL® LR 3020/60 einen Druckverformungsrest von 0,93 Millimetern, dividiert durch 1,5 Millimeter. Dies ergibt 0,62 oder 62 Prozent – angesichts der starken Medienbelastung ein guter Wert.

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