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Eine harte Type

An die Härte und Steifigkeit von Thermo- und Duroplasten reichten die Vulkanisate von Flüssigsiliconkautschuken bislang nicht heran. Jetzt bringt WACKER mit ELASTOSIL® LR 3003/90 eine neue Type auf den Markt. Mit einer Härte von 90, gemessen in Shore A, erlaubt sie die kostengünstige Herstellung formstabiler Siliconartikel im Spritzgießverfahren.

Flüssigsiliconkautschuke können vollautomatisch im Spritzgießverfahren verarbeitet werden und ermöglichen daher eine kostengünstige Großserienproduktion von Siliconartikeln. Dabei erreichen die Verarbeiter kurze Zykluszeiten und im Idealfall eine nachbearbeitungsfreie Produktion – auch bei kleinsten, hochpräzisen und geometrisch anspruchsvollen Fertigartikeln. Das Verarbeitungsverfahren kann hochautomatisiert und mit sehr geringem Personaleinsatz stattfinden.

Zugversuch mit ELASTOSIL® LR 3003-Produkten: ELASTOSIL® LR 3003/90 besitzt nach der Vulkanisation eine extrem hohe Steifigkeit, was aus der Steigung der Spannungs- Dehnungskurve abgeleitet werden kann (siehe Grafik unten).

Allerdings weisen die Vulkanisate typischer Flüssigsiliconkautschuke für bestimmte Anwendungen, wo es auf Formstabilität ankommt, einen Nachteil auf. „Selbst die härtesten kommerziell erhältlichen Flüssigsiliconkautschuke kamen bislang nicht an die Steifigkeit von Thermoplasten oder Duroplasten heran“, erklärt Dr. Thomas Frese, der im technischen Marketing von WACKER die Produktgruppe der Flüssigsiliconkautschuke verantwortet. Die Härten von Vulkanisaten aus Flüssigsiliconkautschuk liegen typischerweise im Shore-A-Bereich.

Seine renommierte Flüssigsiliconkautschuk-Produktreihe ELASTOSIL® LR 3003 hat WACKER jetzt um eine Type erweitert, deren Vulkanisate außerordentlich formstabil sind und eine Härte aufweisen, die bereits im Shore-D-Bereich gemessen werden kann. In ihren Eigenschaften liegt die Type dicht am Übergangsbereich zwischen einem Elastomer und Thermoplasten. „Aus diesem Flüssigsilicon hergestellte Artikel erreichen eine Formstabilität, wie sie bislang für Flüssigsiliconelastomere undenkbar war“, erklärt Dr. Wolfgang Schattenmann, Leiter des Business Teams Rubber Solutions bei WACKER SILICONES. Wie alle Flüssigsiliconkautschuke vulkanisiert auch die neue Type durch eine platinkatalysierte Additionsreaktion, wobei die Siliconpolymere zusammen mit dem eingesetzten Vernetzer ein dreidimensionales Netzwerk bilden. Je engmaschiger das Netzwerk geknüpft wird und je mehr verstärkende Füllstoffe der Kautschuk enthält, desto härter und steifer ist das bei der Vulkanisation entstehende Elastomer.

Geschickte Kombination

Beides – die Erzeugung eines engmaschigen Netzwerks und die hohe Füllung – kann jedoch zu verarbeitungstechnischen Nachteilen führen: Erstens könnte der hohe Füllstoffgehalt die Viskosität des Kautschuks so stark erhöhen, dass eine Verarbeitung im Spritzgießverfahren kaum mehr möglich wäre. Zweitens dauert die Vulkanisation beim Aufbau einer hohen Netzwerkdichte im Allgemeinen länger als bei weitmaschig vernetzenden Kautschuken, was beim Spritzgießen längere Zykluszeiten ergibt. Hier besteht die Gefahr, dass die Verarbeitung im Spritzgießverfahren unwirtschaftlich wird. „Durch eine geschickte Auswahl und Kombination von Siliconpolymeren und Füllstoffen gelang es unseren Chemikern, diese Nachteile bei der Entwicklung von ELASTOSIL® LR 3003/90 zu vermeiden“, unterstreicht WACKER-Manager Wolfgang Schattenmann.

Neben den Verarbeitungseigenschaften standen bei der Prüfung der neuen Type die mechanischen Eigenschaften des Vulkanisats im Mittelpunkt: ELASTOSIL® LR 3003/90 ist im Ruhezustand bei Raumtemperatur pastös und zeigt strukturviskoses Verhalten, wird also mit zunehmender Scherung immer dünnflüssiger. Schon bei einer Schergeschwindigkeit von einer reziproken Sekunde sinkt die Viskosität auf circa 800.000 Millipascalsekunden. Somit lässt sich die neue Type mithilfe handelsüblicher Misch- und Dosieranlagen ohne Schwierigkeiten in das Spritzaggregat fördern. Das Material ist schnellvernetzend, wie es die Siliconverarbeiter von den anderen Typen der Produktreihe ELASTOSIL® LR 3003 gewohnt sind. „Das Material kann also problemlos im Spritzgießverfahren verarbeitet werden und ermöglicht eine wirtschaftliche Großserienproduktion von Formteilen“, betont Dr. Thomas Frese, der als Leiter eines anwendungstechnischen Labors bei WACKER in Burghausen die neue Type entwickelt hat.

Hart wie ein Gummihammer

Die Härte des Vulkanisats ermittelten die Techniker sowohl mit dem Shore-A- als auch mit dem Shore-D-Prüfgerät: Sie beträgt 90 Shore A beziehungsweise 33 Shore D – das entspricht in etwa der Härte eines Gummihammers oder eines Schuhabsatzes. Zum Vergleich: Gummibärchen haben eine Härte von 10 Shore A, Radiergummis von etwa 30 Shore A; die Härte der Lauffläche eines Autoreifens liegt in der Regel zwischen 55 und 70 Shore A.

„Die für einen Flüssigsiliconkautschuk ungewöhnliche Härte ist aber nicht die einzige Besonderheit des neuen Materials“, betont der WACKER-Entwickler Thomas Frese. „Schon wenn man eine aus ELASTOSIL® LR 3003/90 hergestellte Platte mit der Hand biegt, fällt die hohe Steifigkeit des vernetzten Materials auf.“ Das Vulkanisat setzt der Verformung einen deutlichen Widerstand entgegen. So hängt auch eine einseitig eingespannte Platte unter ihrem Eigengewicht nicht nach unten herab. Fällt die verformende Kraft weg, nimmt die Platte in hoher Geschwindigkeit wieder ihre ursprüngliche Gestalt an – Gummi-Fachleute bezeichnen diese Eigenschaft (spontane Elastizität mit hochdynamischem Rückstellverhalten) bei Elastomeren häufig als Schnappigkeit. Trotz seiner Härte und ausgeprägten Formstabilität weist das Vulkanisat also eine merkliche Elastizität und damit auch Dichtungseigenschaften auf.

Spannungs-Dehnungs-Diagramm mit den Kurven verschiedener Typen aus der Reihe ELASTOSIL® LR 3003 inklusive der 90-Shore-Type (rot). Diese dehnt sich unter Spannung kaum.

Genauere Informationen zur Steifigkeit und zur Elastizität lieferten die WACKER-Techniker, indem sie das Material im Labor mit der Zugprüfmaschine testeten und aus den gewonnenen Ergebnissen ein Spannungs-Dehnungs-Diagramm erstellten. Um einen Prüfkörper aus dem neuen Material um beispielsweise 20 Prozent zu dehnen, muss deutlich mehr Kraft aufgewendet werden als bei den anderen Typen der Produktreihe ELASTOSIL® LR 3003.

Ein Spannungs-Dehnungs-Diagramm veranschaulicht diesen Unterschied. Bei der neuen Type steigt die Kurve bei bereits geringen Auslenkungen sehr steil an und verläuft in einem großen Bereich nahezu linear. „Die Kurven der anderen Typen verlaufen deutlich flacher“, berichtet Dr. Frese. „Schon der Unterschied zwischen der 80-Shore-Type und der neuen 90-Shore-Type ist gewaltig.“ Der steile Anstieg der Spannungs-Dehnungs-Kurve zeigt: Das Vulkanisat von ELASTOSIL® LR 3003/90 hat einen außergewöhnlich hohen Modul, verhält sich also wie eine harte Feder.

Recht glatte Oberflächen

Siliconelastomere

Siliconelastomere sind gummielastische Feststoffe, die auf Polyorganosiloxanen basieren. Sie entstehen aus Siliconkautschuken durch einen als Vulkanisation bezeichneten Prozess. Hierbei bilden die Polymerketten der siliciumorganischen Makromoleküle ein dreidimensionales Netzwerk. Siliconelastomere zeichnen sich durch ein Eigenschaftsprofil aus, das sie in vielen technischen Anwendungen unentbehrlich macht: Sie sind außerordentlich hitzebeständig, zugleich auch kälteflexibel, chemisch inert und biokompatibel. Siliconelastomere besitzen eine stark hydrophobe, also wasserabweisende Oberfläche, sind für Gase selektiv durchlässig und wirken sehr gut elektrisch isolierend. Typisch ist ihre hohe Beständigkeit gegen eine Vielzahl physikalischer und chemischer Einflüsse, weshalb sie – anders als organische Gummis – auch nicht altern. So bleiben ihre chemischen, physikalischen und technischen Eigenschaften zwischen etwa −50 und +200 Grad Celsius – mit Hitzestabilisatoren auch bei deutlich höheren Temperaturen – nahezu konstant; ebenso verkraften sie anhaltende mechanische und elektrische Belastungen sowie die fortwährende Einwirkung von Sauerstoff, Ozon und UV-Strahlung.

ELASTOSIL® LR 3003/90 weist noch eine weitere Besonderheit auf: Sein Vulkanisat zeichnet sich durch eine relativ glatte Oberfläche aus. In der Regel haben Siliconelastomere eine eher stumpfe Oberfläche mit Anti-Rutsch-Eigenschaften, die mit abnehmender Härte zunehmen. Mit seiner vergleichsweise niedrigen Oberflächenreibung kann ELASTOSIL® LR 3003/90 für Anwendungen interessant sein, in denen sich das Siliconbauteil gegen ein anderes Bauteil bewegt – etwa bei Gleitringdichtungen oder bei Kolbenbewegungen.

In der Härte und Steifigkeit nähert sich das neue Material den Duroplasten und Thermoplasten an, zeichnet sich aber zugleich durch ein silicontypisches Eigenschaftsprofil aus und lässt sich kosteneffizient verarbeiten. „ELASTOSIL® LR 3003/90 ist daher der Werkstoff der Wahl, wenn harte und formstabile Siliconartikel in großen Stückzahlen produziert werden sollen“, erklärt WACKER-Manager Wolfgang Schattenmann. Hierbei müssten nicht unbedingt die Siliconeigenschaften im Vordergrund stehen. Ausschlaggebend für den Einsatz des neuen Silicons könnten auch die hohe Produktivität und die sehr geringe Fehlerrate sein, die sich mit ihm beim Spritzgießen erreichen ließen. Aus diesem Grund könne ELASTOSIL® LR 3003/90 eine vorteilhafte Alternative zu Duro- oder Thermoplasten darstellen.

In diesem Versuch wird die Oberflächenreibung einer Silicon-Prüfplatte getestet.

Darüber hinaus steht mit ELASTOSIL® LR 3003/90 ein Flüssigsiliconkautschuk zur Verfügung, dessen Vulkanisat sich besonders gut als harter Verbundpartner in Zwei-Komponenten-Formteilen eignet. Solche Hart-weich-Verbunde, also Kunststoff-Formteile aus einem harten und einem weicheren Material, kommen in nahezu allen Industriesegmenten zum Einsatz. Zu ihren Anwendungsbieten gehören elektrische Zahnbürsten, Handgriffe für Elektrowerkzeuge, Flaschenverschlüsse, Taucherbrillen, Steckverbindungen in der Elektrotechnik und vieles mehr. Das weichere Material dient dabei häufig dazu, Toleranzen zwischen verschiedenen Komponenten zu überbrücken, übernimmt Dichtungsaufgaben oder wird aus Gründen einer angenehmeren Haptik eingesetzt. Besonders die Autoindustrie nutzt Bauteile, die sowohl steife als auch elastische Elemente aufweisen, für Lüfterklappen-Dichtungen, Schalthebelführungen, Türschlossmodule, Türschweller-Abdeckleisten oder Windläufe.

Kombiniert man die harte Silicontype mit einem weicheren Flüssigsiliconkautschuk, können – geeignete Maschinentechnik und Formwerkzeuge vorausgesetzt – im Spritzgießverfahren Hart-weich-Verbunde ausschließlich aus Silicon in Großserien kostengünstig realisiert werden. So lässt sich beispielsweise eine weiche Silicondichtlippe auf ein steifes Siliconsubstrat aus ELASTOSIL® LR 3003/90 aufspritzen.

Bislang wurden häufig thermoplastische Hartkomponenten mit weichen Siliconelastomeren kombiniert. Wird der neue Flüssigsiliconkautschuk anstelle eines Thermoplasten als Hartkomponente eingesetzt, können sich Vorteile hinsichtlich der Prozesssicherheit und der Produktivität ergeben – braucht doch der Verarbeiter nicht länger den erheblichen Unterschieden in den Verarbeitungsbedingungen, wie sie zwischen Thermoplasten und Siliconkautschuken bestehen, Rechnung zu tragen. „Somit erschließt ELASTOSIL® LR 3003/90 Anwendungen, die sich bislang mit einem Flüssigsiliconkautschuk nicht realisieren ließen“, betont Wolfgang Schattenmann.

Der direkte Vergleich der Reibungskoeffizienten von ELASTOSIL® LR 3003-Produkten unterschiedlicher Härte verdeutlicht den sehr niedrigen Reibungskoeffizienten von ELASTOSIL® LR 3003/90.

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