Bauen im Wandel

Innovationen für die Zukunft

Beton und Zement aufwerten

Beton ist einer der wichtigsten Baustoffe. Zement, Sand und Kies verbinden sich unter Zugabe von Wasser zu einem Material, das so hart und belastbar ist wie Stein. Mit Beton lassen sich solide Fundamente, hohe Wolkenkratzer und kühn geschwungene Brücken bauen. Beton ist allerdings einer Reihe von Umwelteinflüssen ausgesetzt. Nässe setzt dem Beton zu, Salzwasser und Streusalz können irreversible Schäden verursachen. Um dies zu verhindern, müssen Gebäude, Brücken in Küstennähe oder Straßentunnels zuverlässig vor Wasser geschützt werden.

Silicone leisten einen wesentlichen Beitrag zum nachhaltigen Bauen, weil sie Zement und Beton wasserabweisend machen. „Sie eignen sich nicht nur zur Oberflächenbehandlung von fertigen Betonteilen. Eingesetzt als Additive in der Beton- und Zementproduktion schützen Silicone die Bauteile von innen“, sagt Baustoffexperte Dr. Wei Cai, der Zement- und Betonhersteller in aller Welt berät. Ein weiterer Vorteil: Dank Siliconzusatz lassen sich auch regional verfügbare Kies- und Sandvorkommen von geringerer Qualität für die Betonherstellung nutzen.

In Indien, dem zweitgrößten Zementmarkt der Welt nach China, wird ein von WACKER hergestelltes Siliconadditiv bereits eingesetzt. Kunden haben damit schon mehrere Millionen Tonnen wasserabweisenden Zements hergestellt. „Dabei wird zudem bis zu zehn Prozent an elektrischer Energie eingespart – ein zusätzlicher Pluspunkt in Sachen Nachhaltigkeit“, sagt Dr. Abhijit Tarafdar, der das Additiv im Kompetenzzentrum Amtala für indische Kunden entwickelt hat. Auch in China, wo im April 2019 ein weiteres Forschungslabor für Zement und Beton eröffnet wurde, befasst sich WACKER mit den Siliconzusätzen.

Auf der anderen Seite des Globus, in Brasilien, arbeitet WACKER ebenfalls daran, die Zementqualität zu verbessern. „Die in Brasilien verwendeten Komposit-Zemente werden in der Regel mit Zuschlagstoffen wie Flugasche oder Hüttensand versetzt“, sagt Dr. Tobias Halbach, der bei WACKER die Technologieentwicklung für Baupolymere leitet. Der positive Effekt: Der Energieverbrauch bei der Herstellung sinkt und damit die CO2-Emissionen. Allerdings leidet die Zementqualität darunter. Damit dieser Zement dennoch ohne Nachteile in Trockenmörtelanwendungen eingesetzt werden kann, stellt WACKER maßgeschneiderte Dispersionspulver für den brasilianischen Markt bereit. Sie sind speziell an die regional variierenden Rohstoffe angepasst.

„Wir können dadurch Schwankungen in der Reaktivität der Komposit-Zemente ausgleichen und das Abbindeverhalten optimieren. Unsere Kunden können so mit lokalen Rohstoffen leistungsfähige, langlebige Fliesenkleber produzieren.“

– Dr. Tobias Halbach

Bauen wie gedruckt

„Der 3D-Druck von Häusern ist derzeit ziemlich angesagt“, erklärt Christophe Berset, der im strategischen Marketing für Baupolymere bei WACKER tätig ist. „Die Idee ist, dass über eine computergesteuerte Fertigung vielfältige Formen möglich und kostengünstig herstellbar sind.“ Eine 3D-Druckmaschine trägt mit einer Düse flüssigen Mörtel schichtweise auf, dieser bindet ab und ein stabiler, plastischer Körper entsteht. Berset und seine Kollegen arbeiten in Kooperation mit der Technischen Universität München und der Nanyang Technological University in Singapur daran, wie Polymere die Haltbarkeit und die mechanischen Eigenschaften des gedruckten Materials erhöhen können.

Die Schwierigkeit ist vor allem eine gute Balance zwischen der Fließfähigkeit des Mörtels und seiner Abbindegeschwindigkeit zu finden. „Die Masse in den Schläuchen des Druckers muss flüssig und gut pumpbar sein, aber dann beim Auftragen rasch ihre Rheologie verändern, damit die Schichten stabil bleiben“, sagt Berset. „Mit unseren Rezepturen klappt das schon sehr gut.“ Derzeit arbeitet das Team daran, diverse Mörtel-Rezepturen herzustellen und so hochwertige gedruckte Elemente zu erzeugen.

Grafik modulares Bauen clear_16x9

Das Bauen wird modular

Der Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum wächst – vor allem in Großstädten. Steigende Baukosten führen allerdings dazu, dass Neu- oder Bestandsbauten im günstigen und mittleren Preissegment nicht in ausreichendem Maß angeboten werden. Eine Lösung, um dieses Problem zu beheben, bietet das modulare Bauen. Dabei werden Gebäudeteile oder sogar ganze Wohneinheiten vorgefertigt und vor Ort nur noch zusammengefügt. „Es lassen sich Wandelemente inklusive Fenster und Dämmschichten und sogar ganze Räume vorfabrizieren, Badezimmer zum Beispiel“, erklärt Christophe Berset, der im strategischen Marketing für Baupolymere bei WACKER tätig ist. „Die Nasszellen sind bereits mit Fliesen, Dusche und Toilette ausgestattet und kommen sozusagen anschlussfertig zur Baustelle.“

Werden solche Einheiten in Serie hergestellt, reduzieren sich dank der Skaleneffekte die Produktionskosten sowie die Arbeitszeit auf der Baustelle erheblich. Laut einer McKinsey-Studie verringert modulares Bauen die Kosten um bis zu 20 Prozent und kann die Bauzeit halbieren. Aber es gibt auch Herausforderungen.

„Beim Transport der fertigen Einheiten entstehen enorme Vibrationen. Mit unseren Polymeren ausgestattet, erhalten Fliesenkleber, Selbstverlaufsmassen oder Verbundstoffe eine gewisse Flexibilität. Die Bauteile kommen nicht nur unbeschädigt zur Baustelle, sondern bleiben auch langfristig intakt.“

– Christophe Berset

Mittlerweile gehört das Zusammenfügen solcher Teile und Module auf vielen Baustellen zum Alltag. Silicone oder Hybridpolymere spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie sorgen für eine dauerhafte Verklebung von Fugen und Wänden. „Als flexible Dichtstoffe gleichen sie zudem Spannungen aus. Das verhindert Risse aufgrund der jahreszeitlichen Temperaturschwankungen“, sagt Dr. Arndt Schlosser, bei WACKER für Dicht- und Klebeanwendungen im Baubereich zuständig. „Das macht modular konstruierte Gebäude beständig gegen eindringendes Wasser und somit langlebig.“

Ein weiterer Vorteil: Die Dämmschichten so verklebter Wandelemente bleiben unversehrt. „Wird jedoch gebohrt und geschraubt, entstehen Kältebrücken, die die Wärmedämmung beeinträchtigen“, sagt Schlosser. WACKER hat den Trend des modularen Bauens fest im Blick. „Wir beobachten den Markt sehr genau, damit wir unsere Produktentwicklungen bestmöglich den Herausforderungen der Industrie anpassen können“, resümiert Schlosser.

Recycling am Bau

Nachhaltigkeit ist auch das Leitmotiv beim Aufbau einer gemeinsamen Innovationsplattform mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT). WACKER beteiligt sich hier, um den Austausch mit Fachleuten zu nachhaltigem Bauen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu fördern.

Der Chemiekonzern unterstützt zudem die Modernisierung und Erweiterung der Materialbibliothek des KIT. Im Fokus stehen nachhaltige Bautechnologien mit digitalisierten Exponaten, etwa aus wiederverwertetem Material wie Fliesen, recyceltem Glas oder Baustoffen aus recyceltem Papier oder Plastik. Die Bibliothek dient außerdem als Wissens- und Ideenwerkstatt für die Entwicklung neuer Technologien in gemeinsamen Forschungsvorhaben, in denen sich nachwachsende Rohstoffe oder recycelte Materialien sinnvoll mit Polymeren oder Siliconen von WACKER kombinieren und veredeln lassen.

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grüne Fassede in Singapur

Nachhaltige Städte

Wie sich Baumaterialien für die Städte der Zukunft nachhaltiger gestalten lassen, ist Schwerpunkt einer Zusammenarbeit, die WACKER im Jahr 2017 mit dem Future Cities Laboratory (FCL) des Singapur-ETH Centre eingegangen ist. Im Fokus stehen funktionale Polymere zum Veredeln nachwachsender, lokal verfügbarer Rohstoffe im Baubereich. Beispielsweise arbeiten die Experten von WACKER und FCL daran, Bambus-Komposite mithilfe der Bauchemie leistungsfähiger, praktikabler und langlebiger zu machen.

In eine ähnliche Richtung geht ein zukünftiges Forschungsprojekt: Dabei sollen nachwachsende Mycelium-basierte Materialien für den Einsatz in innovativen Bauelementen weiterentwickelt werden.