Virtuelle Lösungen

„Head Mounted Tablet“ (HMT)

Moderne Datenbrillen ermöglichen es Kunden und externen Gutachtern von dem vielfältigen Angebot der WACKER Technical Center auch virtuell zu profitieren, ihre Tests durchzuführen oder Prüfergebnisse selbst in Augenschein nehmen.

01.09.2021 Lesezeit: ca. MinutenMinute

Bestens vernetzt – auch im Lockdown

Über eine Datenbrille holt Dr. Benjamin Rossbach Kunden und Gutachter ins Kompetenzzentrum Burghausen, um ihnen die Effektivität von Bindemitteln der Marke VINNAPAS® in Bauanwendungen zu demonstrieren. Viele Projekte und Kooperationen mit Partnern im In- und Ausland können so auch während der Corona-Krise fortgeführt werden.

Das Urteil der Gutachterin war eindeutig: Eine Videokonferenz via Webex genügte der Sachverständigen, um für ein externes Prüfinstitut einen Bericht über die Belastbarkeit eines neuen Wärmedämmverbundsystems zu komplettieren. Dabei handelte es sich allerdings nicht um eine gewöhnliche Videokonferenz, wie sie seit Ausbruch der Corona-Pandemie für viele zum Alltag gehört: Einer der Teilnehmer nutzte dazu weder sein Smartphone noch die Webcam eines PCs, um die Bilder von der bewitterten Testwand zu übertragen. Vielmehr verwendete er eine neuartige Datenbrille mit den Funktionen eines Tablets, die er am Kopf trägt und mit der er sein eigenes Sichtfeld in der Videokonferenz freigibt. Im Film würde man von einem „Point-of-View-Shot“ sprechen.

Dr. Benjamin Rossbach (r.) und sein Mitarbeiter Dominik Riedlaicher

Dr. Benjamin Rossbach (r.) und sein Mitarbeiter Dominik Riedlaicher untersuchen gemeinsam die Belastbarkeit eines Wärmedämmverbundsystems. Der Test wird live per Datenbrille übertragen.

Seit Einführung der coronabedingten Reisebeschränkungen vor mehr als einem Jahr stehen Dr. Benjamin Rossbach, Leiter des Global Technical Center Management Teams im Geschäftsbereich WACKER POLYMERS, und seine Kollegen vor der Herausforderung, dass die Teams zwar weiter neue Produkte und Formulierungen hinsichtlich ihrer Eigenschaften prüfen und optimieren. „Die Beurteilung und Abnahme dieser Tests, zum Beispiel von neuen Fassadensystemen nach mehrwöchigen Bewitterungen in unseren EOTA-Klimakammern, kann jedoch nur noch selten mit unseren Kunden und Gutachtern vor Ort erfolgen“, berichtet Dr. Benjamin Rossbach.

Dabei zählt genau das zum Kern seiner Arbeit: Der Geschäftsbereich unterhält 18 anwendungstechnische Zentren in aller Welt, in denen WACKER-Produkte auf ihre praktische Einsatzfähigkeit in regionalen Formulierungen getestet werden. Im Zentrum des Interesses stehen dabei gerade auch die örtlichen Klimabedingungen (Luftfeuchtigkeit, Temperaturwechsel), die lokal verwendeten Rohstoffe (ein Zement in Indien weist andere Eigenschaften auf als einer, der in Deutschland eingesetzt wird) und natürlich die spezifischen Anforderungen aus den nationalen Baunormen.

Eduard Brehm von der WACKER-IT sorgt dafür, dass das System alle Ansprüche an die Datensicherheit erfüllt.

Eduard Brehm von der WACKER-IT sorgt dafür, dass das System alle Ansprüche an die Datensicherheit erfüllt.

Bewittern nach EOTA-Normen

Für Kunden bietet sich in den Technischen Zentren in Burghausen, Moskau und Shanghai die Möglichkeit, neue Fassadenmaterialien auf einer Testwand zu applizieren und in einer Kammer nach den Normen der European Organisation for Technical Assessment (EOTA) zu „bewittern“. Unter Laborbedingungen werden die Kundensysteme künstlich den Belastungen durch Regen und Temperaturwechsel von Hitze bis Frost ausgesetzt, um zu prüfen, wie gut sie auch extremen Wetterwechseln standhalten.

Reisebeschränkungen, Quarantänevorschriften und Hygieneregeln machen es unter Pandemiebedingungen schwer und kompliziert – und vor allem selten –, dass Kunden oder externe Gutachter diese Tests selbst durchführen oder Prüfergebnisse selbst in Augenschein nehmen. Doch auch im Zeitalter der Digitalisierung lassen sich physische Prüfungen nicht einfach durch virtuelle ersetzen. Deshalb suchte Rossbach nach einer Möglichkeit, nicht die eigentliche Prüfung, sondern den Besuch externer Experten zu virtualisieren.

„Auf unserem WACKER Digitalisierungstag vor rund eineinhalb Jahren wurde mir die HMT-1 von unseren IT-Kollegen vorgestellt. Das ist eine Kamera mit Display und Computereinheit, die am Kopf getragen wird“, erzählt der Chemiker. Der Hersteller des Systems, das amerikanische Unternehmen Realware, spricht selbst von einem „Head Mounted Tablet“ (HMT), einem am Kopf getragenen Tablet. Für die Anwendung im Technical Center hat das Gerät zwei dicke Pluspunkte: Es ist für den mobilen Einsatz ohne händische Bedienung konzipiert – der Anwender hat also die Hände frei für anderes. Und weil die Datenbrille mit dem Smartphone- und Tablet-Betriebssystem Android läuft, funktionieren darauf Standard-Apps wie Webex.

„Ich kann mich mit dem HMT-1 einfach direkt in eine Webex-Konferenz einwählen und den anderen Teilnehmern die Bilder von meiner Kamera am Kopf zeigen. Sie sehen dann genau das, was ich sehe“, erklärt Dr. Rossbach. Dabei hat er die Hände frei und kann beispielsweise bei der Inspektion eines getesteten Wärmedämmverbundsystems an der Probewand auf besondere Stellen zeigen, diese Bereiche vergrößern und hochaufgelöste Fotos direkt in das Kundenmeeting übertragen. „Die Kamera ist so gut, dass man auf dem übertragenen Video selbst feine Risse und Dellen erkennen kann“, betont Rossbach.

Die Steuerung des HMT-1 erfolgt per Sprache: Der Nutzer sagt einfach einen Befehl wie „Video starten“, „Foto aufnehmen“ oder den Namen eines Programms, das auf dem kleinen Display wenige Zentimeter vor dem Auge des Nutzers angezeigt wird. Schon startet die gewählte Funktion.

„Die Teilnehmer der Konferenz sehen von unseren anspruchsvollen Tests genau das, was ich sehe.“

Dr. Benjamin Roßbach, TechCenter Management, WACKER POLYMERS

Näher am Kunden

„Das funktioniert so gut, dass ich es gemeinsam mit unseren Experten aus der IT auch unseren Kollegen in anderen Technischen Zentren vorgestellt habe. Sie waren begeistert und wollen selbst gerne diese Lösung nutzen, um mit unseren technisch anspruchsvollen Testmöglichkeiten näher an ihre Kunden rücken zu können“, berichtet Benjamin Rossbach.

Denn das ist nicht nur in Pandemiezeiten eine besondere Herausforderung. Möglicherweise wird der eine oder andere Kunde auch dann gerne eines der 18 Kompetenzzentren von WACKER POLYMERS rund um den Globus auf virtuelle Weise aufsuchen wollen, wenn die coronabedingten Reisebeschränkungen aufgehoben sind – und sich so hin und wieder die Anfahrt sparen. Im Rahmen eines Austausches mit einem strategischen Kunden in Thailand kam die HMT-1 bereits erfolgreich zum Einsatz: Sowohl mehrere Teilnehmer des Kunden als auch unser Kundenteam in Singapur begleiteten Benjamin Rossbach begeistert auf seinem Rundgang durch unser EOTA-Testgebäude in Burghausen.

Auch interne Schulungen von neuen Kollegen aus den Technischen Zentren erfolgten vor der Pandemie noch mehrheitlich in Präsenz. Zu etlichen Inhalten, gerade auch aus den Praxisteilen der Schulungen, kann das Team nun die neuen Kollegen per HMT-1 in die Labore in Burghausen einladen und sie an der Ausführung der Tests live teilhaben lassen.

Dass die ersten Tests innerhalb kürzester Zeit so erfolgreich verliefen, lag ganz wesentlich an der guten Zusammenarbeit der IT-Experten von WACKER und Cisco, dem Netzwerkspezialisten und Anbieter der Webex-Software. „Zu diesem pflegen unsere IT-Kollegen einen engen Austausch und haben uns in ein Meeting mit Cisco eingeladen, in dem wir unsere Erfahrungen mit der HMT-1 teilen konnten. So wird auch unser Feedback aus dem Fachbereich in die Weiterentwicklung einfließen“, sagt Rossbach nicht ohne Stolz.

In dieser begehbaren Klimakammer im anwendungstechnischen Zentrum Burghausen werden Kleinkörper unter unterschiedlichen Bedingungen getestet.

In dieser begehbaren Klimakammer im anwendungstechnischen Zentrum Burghausen werden Kleinkörper unter unterschiedlichen Bedingungen getestet.

Virtuelle Lösungen auf dem Vormarsch

Der Chemiker ist davon überzeugt, dass sich solche virtuellen Lösungen durchsetzen werden, weil sie dauerhaft die Kundenbeziehung vertiefen. Mit einem Anschaffungspreis der Hardware von rund 2.500 Euro ist das Head Mounted Tablet preiswerter als andere tragbare Systeme für virtuelles Arbeiten. Es ergänzt die Möglichkeiten des Kundenservice bei WACKER um eine weitere schnelle und flexible Option, ohne großen Aufwand durch Anreise und Organisation. Das macht die Lösung schnell bezahlt.

„Selbstverständlich erfüllt das System auch unsere Ansprüche an die IT- und Datensicherheit“, sagt Eduard Brehm, IT-Fachmann von WACKER. „Weil weitgehend Standards in der Software verwendet werden, lässt sich die Lösung gut, zuverlässig und auch sicher in unsere IT-Landschaft integrieren.“

Dem breiteren Einsatz im Unternehmen ebnet das den Weg. Den Einsatz von einer Datenbrille wie der HMT-1 sehen die Informationstechnik des Konzerns und der Geschäftsbereich WACKER POLYMERS daher als einen wesentlichen Baustein der Digitalisierung in der Kommunikation bei WACKER. Die Qualität der Videoaufnahme und -übertragung ist jedenfalls so gut, dass Eduard Brehm mittlerweile drei HMT-1 für das Technische Zentrum und die F&E-Labore von WACKER POLYMERS konfiguriert hat. Zwei weitere dieser Datenbrillen sind bei WACKER BIOSOLUTIONS im Einsatz.

Kontakt

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Herr Dr. Benjamin Roßbach
Leiter Global TechCenter Management
WACKER POLYMERS
+49 8677 83-6410
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